„Cyte – 7“

Das Ihr dieses Heft in den Händen haltet ist eigentlich ein Wunder!

Eigentlich dachte ich schon das die Ausgabe davor unter schwierigen Bedingungen erschienen ist, aber das war ein Irrtum. Über drei Monate Lockdown, mal light,

mal schwerer, haben das planen, organisieren und produzieren unglaublich zäh

und zermürbend gemacht. Zusagen für Interviews und Portraits wurden monatsweise verschoben und schließlich ganz abgesagt, meine eigene Energie und Motivation wurde immer weniger, aber ich wollte dieses Heft unbedingt herausbringen. Ich wollte nicht aufgeben nur weil es gerade schwierig war zu arbeiten. Vor allen Dingen wollte ich weitermachen, weil viele Dinge über die wir nachgedacht haben und die wir schon lange am Modebusiness kritisiert haben, auf ein Mal von vielen so gesehen wurde. Weil plötzlich die Einsicht da war, das es so nicht weitergehen kann – dieser Overkill von 1000 Kollektionen im Jahr, von einem zu viel von allem! Die Party ist vorbei, auch wenn einige das nicht wahr haben wollen und versuchen alte Strukturen und Rituale festzuhalten. Es war halt nur noch Business und jeder kreative Moment war nur noch da um mehr Geld zu verdienen. Nicht für die Kreativen, sondern für Geschäftemacher im Hintergrund. Jeder Trend von kühlen Zielgruppen- Analytikern zu tote geprüft, jeder Verkaufsschlager von der Konkurrenz gnadenlos kopiert.

Und jetzt Stillstand, Burn-Out, Pleite. Auf einmal ist es nicht mehr Mode, sondern nur noch Bekleidung und die braucht nicht mehr diese Überinszenierung, sie ist es schlicht nicht wert. Vielleicht erleben wie auch gerade wie sich der Kapitalismus

selbst erledigt und sein Versagen eingesteht. Was stattdessen kommt, weiß ich nicht, aber es muss nicht zwangsläufig schlechter sein, als wie es bis vor kurzem war. Miuccia Prada und Raf Simmons wurden in einen online Q+A von Modestudenten befragt, wie Luxusmarken mit der immer grösser werdenden Armut in der Welt umgehen, wie ihre Stellung dazu ist. Die Antwort war dürftig, man sei sich des Dilemmas und der Probleme bewusst und versucht Möglichkeiten zu schaffen. Aber reicht dieser Versuch? Selbst das bestimmt verhandene kritische Bewusstsein

einer Frau Prada und eines Herrn Simmons täuschen nicht über das Unwohlsein hinweg, was sie befällt in Anbetracht des Dilemmas in dem die ganze Branche steckt. Ein immer schneller drehendes Rad an Kollektionen, Produktionsmethode die kaum besser waren als bei den Fast Fashion Herstellern und weil dies alles nicht mehr genügend Käufer fand, mussten neue Zielgruppen her. Nachdem jahrzehntelang kaum ein Schwarzes Model auf dem Laufsteg, geschweige denn in einer Kampagne zu sehen war, gab es plötzlich kaum ein anderes Casting. Alles nur „Black lives matter“ Sympathie? Ich glaube kaum, vielleicht hatte man endlich eine neue Zielgruppe gefunden…!

Aber es gibt auch ein bisschen Licht. Durch die Pandemie entstanden auf einmal neue und kreative Formen der Kollektionspräsentationen, aufregende Rauminstallationen bei Fendi, kleine filmische Meisterwerke wie bei Celine

oder liebevoll gebastelte Marionette bei Moschino inkl. der wiedererkennbaren Frontrow. Leider hat es aber kaum einer geschafft aus der klassischen Catwalk Situation herauszukommen. Die Mode tut sich schwer damit wirkliche Geschichten zu erzählen, die filmisch auch Sinn machen und nicht nur pathetisch sind (siehe Dior). Modenschauen und Mode-Shooting lassen viel offen, da muss nur die Pose stimmen, die Geschichte bleibt meist nur fragmentisch und das reicht. Im Film kommt man nicht so leicht davon. Aber vielleicht soll die Mode auch nur die Oberfläche, die Fassade sein und die Geschichten müssen wir erfinden und leben.

Ich hoffe das wir bald wieder rausgehen können um Geschichten zu erleben und um das Leben zu feiern.

Text: Stephan Ziehen