Ich bin sprachlos! Endlich wieder Shows! Das Modekarussell dreht sich wieder!
New York, London, Mailand, Paris. Alle sind begierig darauf, sich wieder zu sehen und sich wieder zu zeigen. Und natürlich die neuen Kleider zu bestaunen. Aber nicht nur das. Mittlerweile noch viel wichtiger als die Klamotte selbst, ist deren Inszenierung. Je pompöser, größer und spektakulärer, desto besser.
Mir gefällt das …irgendwie. Ich bewundere diesen Ideen-Reichtum, diese unglaublichen Sets und die Poesie von all dem. Aber die Dimensionen, die es angenommen hat, sind kaum noch nachvollziehbar. Früher (ich weiß „Früher“-Geweine ist schrecklich, aber…) gab es höchstens 2-3 Schauen, die ausschließlich von einer überbordenden Inszenierung lebten. Heute scheint es Standard zu sein.
Offenbar ist der mediale Effekt so groß, dass man kaum noch zusätzliche Werbung braucht. Dafür sorgen die Zuschauer auf Social Media selbst.
Je mehr Glamour und je spektakulärer die Inszenierung ist, desto mehr strahlt sie auf die Marke ab, desto häufiger wird sie in den Netzwerken geteilt. Ein Phänomen, das sich die großen Marken geschickt zunutze gemacht haben. Aus Kunden werden Fans, die selber dafür sorgen, das die Botschaft unters Volk gebracht wird. Das reicht als Multiplikationsfaktor. Dafür müssen Celine, Dior, Balenciaga und CO. nur einmal tief in die Tasche greifen und nur eine teure Show bezahlen. Die zusätzlichen teuer bezahlten Kampagnen entfallen fast komplett. Sie sind überflüssig, denn für die Reichweite sorgen jetzt die Fans – unentgeltlich.
Im Grunde eigentlich eine gute Sache und für alle eine WinWin Situation, aber …sind
da nicht die Verhältnisse aus den Fugen geraten? Es geht darum Klamotten zu verkaufen. Klar es sind wunderschöne, ausgefallene und sündhaft teure Klamotten. Aber letztendlich „nur“ Kleidungsstücke. Muss dafür die New Yorker Börse als Laufsteg herhalten? Macht der Zynismus, der dahinter steht, irgendjemanden nachdenklich? Ist das überhaupt die Absicht? Welcher Zynismus? Dieser: Reiche Leute, die mit Spekulationen (an der Börse) enorme Summen bewegen (gewinnen: juhuu/verlieren: egal), bekommen Fetisch-Klamotten direkt an der Wall Street präsentiert. In die sie dann bitte „investieren“ mögen.
Diese dahergelaufene Provokation fühlt sich schal an. Es soll so bedeutungsschwer rüberkommen, aber letztlich geht es nur ums eitle Auffallen – und, das von einem, der Balenciaga wirklich mag! Man darf bei solchen Inszenierungen nicht anfangen darüber nachzudenken, was sie zu bedeuten haben – sie halten nicht Stand. Also genießen wir die Show und regen uns hinterher über die Macht des Geldes auf.

Auch Celine hat keine Kosten und Mühen gescheut, die bekanntesten K-Pop Stars zu ihrer Show kommen zu lassen. Drei junge Menschen, die es sicher gewohnt sind mit ihrem Ruhm umzugehen, aber trotzdem etwas irritiert und sprachlos mit diesem Spektakel umgehen. Tausende von Fans stehen an der Straße zum Palais de Tokyo in Paris und jubeln ihnen zu. Aber sie verstehen nicht so richtig, wem der Jubel und die ganze Aufmerksamkeit gilt. Man sieht es ihren entgeisterten Gesichtern an, geht es da um sie oder geht es um Celine – was passiert hier, es geht doch um eine Modenschau …um Klamotten?
Eigentlich auch nicht weiter schlimm, wieder machen sich die Fans der K-Pop Stars und die Fans von Celine zu freiwilligen Helfern einer Marke, deren Klamotten sie sich in den meisten Fällen nicht leisten können und wenn dann höchstens ein mühsam zusammen gespartes T-Shirt – natürlich „gebranded“ – für € 450.-.
Ziemlich krank!
Oder einfach nur perfekt, perfides Marketing. So verführerisch und einnehmend wie eine Droge. Und alle wollen den Stoff, promoten ihn auf Instagram und TikTok.
Auch mir fällt es schwer, mich dem zu entziehen. Wieder ist es da, das Dilemma, was ich häufig fühle: Es ist bestimmt toll, sich so eine Show auszudenken, zu inszenieren und organisieren. Ein wahnsinniger kreativer Kraftakt! Aber wofür??? Damit eklige, geliftete, Superreiche noch leichter verführt werden sich diese Klamotten zu kaufen?? Damit ein paar nicht ganz so reiche Kids ihr mühsam gespartes Geld in einem überteuerten T-Shirt mit Marken-Logo anlegen?? Das ist von beiden Seiten schrecklich – die Labels, die so agieren und die Kundschaft, die dabei mitmacht. Eine schreckliche Vorstellung!
Zusätzlich ist dieser ganze Gigantismus in Angesicht aller Krisen dieser Welt mehr als fragwürdig! Wäre in dieser Situation nicht ein bisschen mehr Demut angemessen und nicht nur weitere Gewinnmaximierung auf Kosten aller Ressourcen dieser Welt?
Sicher muss man auch in dieser Situation nicht nur im Büßergewand durch die Gegend laufen, die Welt dreht sich ja weiter, aber dass das Luxussegment skrupellos weiter mit allen Mittel Begehrlichkeit schafft, die sich nur noch eine kleine Elite leisten kann und dem armen Rest vorgaukelt, das dies auch noch sehr erstrebenswert ist,
ist bedrückend.
Auch was die grundsätzliche Inszenierung von Shows angeht, könnte man wieder etwas kreativer werden. So toll viele Konzepte auf den ersten Blick auch sind, halten sie selten mehr als eine hohle Fassade. Aber vor allen Dingen kann man den menschlichen Aspekt nicht hoch genug einschätzen, wenn nämlich tolle Kleider, schlüssige Konzepte und Modelle mit der richtigen Energie über den Laufsteg marschieren, dann braucht man keine Pyramiden im Hintergrund, keinen Börsenmarkt oder gigantische Sets im Grand Palais, dann reicht einfach der „human touch“ und alle sind berührt. Ich erinnere mich gerne an diverse Rick Owens Shows oder an die opulenten Jean-Paul Gaultier Party-Shows…
Aber wenn man so was nicht hinbekommt, muss man leider klotzen.
Nicht falsch verstehen, auch ich mag das große Spektakel, aber wenn die Verpackung irgendwann toller und wichtiger wird als der Inhalt, wird’s halt schwierig.
Wenn soviel Mode, von so vielen Labels, sooft gezeigt wird, dann wird sie sich zwangläufig wiederholen und wird zwangsläufig beliebig, also muss die Inszenierung das kaschieren. Und auch wenn ich mich wiederhole, da wäre dann wirklich weniger mehr. Die Zyklen sind zu kurz und es gibt einfach zu viel von allem.
Also erspart uns doch allen die Zeit, schont unser Portemonnaie und zeigt weniger aber dafür bessere Mode. Pusht nicht künstlich was auf, was im Grunde keiner sehen will und auch nicht braucht. Vielleicht gäbe es dann etwas mehr Schönheit und ein paar Burnouts weniger in dieser Modewelt.