Danny Reinke
Im Rahmen der Berliner Fashion Week und der „Collectiv Four “ waren wir bei der
Show von Danny Reinke. Wenige Tage danach, haben wir ihn zum Interview
getroffen. Mit einem steilen Kopfsprung tauchen wir direkt in diese besondere
Stimmung einer Fashion Week ein, in den Glam, die Hektik, die Erwartungen und
Enttäuschungen, die Anspannung und Erleichterung, die Angst und das Glück.
Cyte: Hi Danny, gleich ans Eingemachte: wie ist das Feedback nach der Show? Wie
bist du rausgegangen aus dieser Woche?
Danny: Ich bin total froh und ich bin auch stolz auf das, was ich mache. Denn alles,
was dahintersteckt, das weiß und sieht ja niemand. Das wissen nur ich und mein
Geschäftspartner, außerdem Familie und Freunde, die mich jede Saison begleiten.
Dass ich der Einzige bin, der diese Kollektion näht, ich hatte zwei Praktikanten in
dieser Saison, das weiß da draußen sonst niemand. Das weißt du jetzt, weil ich es
dir gerade erzähle, aber da steckt so viel Handwerk drin, so viel Liebe, so viel
Schweiß, Blut und Tränen …. Und ja, das ist mein täglich Brot und deswegen, klar,
bin ich stolz drauf. Die Tagespresse hat sehr mäßig berichtet, die Fashion Week ist leider in der Berichterstattung etwas hinten runtergefallen. Viele beschweren sich immer über die Berlin Fashion Weeks, den Fashion Circus, und es ist ja alles nicht groß, nicht glamourös, nicht außenwirksam genug und so weiter. Aber da meiner Meinung nach nicht ausreichend berichtet wird und damit auch die Wertschätzung von außen nicht gegeben ist, kann das gar nicht höher gehen. Der wenige Support und die damit ausbleibende Relevanz erschwert uns das gesamte Business. Dazu kommt, dass diese Saison von vornherein schwierig war. Durch die angespannte Welt- und Wirtschaftslage waren viele Unternehmen verhalten und wollten keine großen Kooperationen mit uns eingehen. Die aktuelle Lage gab uns zwar die Motivation unsere Plattform jetzt mal politisch zu nutzen, aber leichter hat es uns das nicht gemacht.
Cyte: Und am Ende, wenn die Kollektion dann draußen ist, lässt du in einer kleineren
Stückzahl Sachen irgendwo anfertigen oder wird alles auf Bestellung gemacht?
Danny: Alles auf Bestellung.
Cyte: Das lässt du dann machen oder machst du es selbst?
Danny: Das kommt ganz drauf an. Wenn ich die Zeit habe, dann mache ich das
schon alles selbst. Bei Stücken, die keine komplizierteren und aufwändigeren
Schnitte haben und wenn die Stückzahl über meine Zeit hinaus geht, dann lasse ich
Teile von meiner Schneiderin hier in Berlin machen. Bei ihr kann ich sicher sein,
dass die Qualität stimmt. Sie weiß, wie sie Stoffe und Schnitte zu verarbeiten hat.
Aber für die Show, die ganzen Bühnenoutfits, die mache ich alle selbst.
Cyte: Wie wird es, wenn die Anfragen jetzt verstärkt reinkommen, du gegebenenfalls
Dein Atelier vergrößerst – unabhängig von Deiner Zeit, ist es Dein Anspruch, die
Stücke selbst anzufertigen? Weiterhin rein auf Bestellung zu fertigen? Oder reizt
Dich ein prêt-à-porter-Modell?
Danny: Eine Mischung wäre gut. Ich meine, wir haben alle verlernt, uns Kleidung
anfertigen zu lassen. Früher war das gang und gäbe, da gab es den Dorfschneider,
jeder hat sich bei ihm seine Hosen und seine Röcke machen lassen. Spätestens
durch den Aufschwung von fast fashion haben wir das alle verloren. Unser
Konsumverhalten hat sich komplett verändert. Und unsere Gesellschaft erstmal
wieder dorthin zurückzubringen, dauert Ewigkeiten, wenn das überhaupt jemals
wieder in diese richtige Richtung geht.
Ich meine, ich merke es bei meinen Kundinnen und Kunden. Sie haben den
Anspruch und wünschen sich dieses spezielle Erlebnis der Individualität, der
Anfertigung auf Bestellung. Aber für ganz, ganz viele ist nicht vorstellbar, welcher
Aufwand dahintersteckt, dass es Zeit braucht. Und deswegen muss es auf lange
Sicht eine Mischung geben. Also es muss kleine Stückzahlen im Shop geben, die
man direkt verkaufen kann und die Maßanfertigung, bei der die
Kundin die full experience genießen kann.
Für mich funktioniert es nur so, in diesem Mix. Ich komme vom Handwerk, ich gebe
das Handwerk nicht so einfach auf, nur weil es um Geld geht.
Ich möchte das Handwerk in Deutschland nach wie vor stärken. Zwar werden wir im
Ausland für unsere Qualität gelobt, für unser Schneiderhandwerk. Dennoch habe ich
das Gefühl, dass es hier in Deutschland kaum noch existiert. Mir ist wichtig, es am
Leben zu halten, darauf hinzuweisen, wie wertvoll das ist.
Cyte: Denkst Du darüber nach die Show-Location zu wechseln? Es wirkt so, als
würdest du hier gegen Windmühlen kämpfen. Mir ist klar, dass man in Paris oder
sonst wo nicht zwingend offene Türen einrennt, aber zumindest gibt es da Leute, die
das Handwerk noch zu schätzen wissen und entsprechend auch kaufen.
Danny: Ja, auf jeden Fall.
Cyte: Auch wenn es der vermutlich längere Weg ist, man einen längeren Atem
braucht? Passen würde es, die Qualität der Sachen, die du machst, ist sichtbar
hochwertig.
Danny: Ja, aber ich will auch jeden Abend noch in den Spiegel gucken können,
bevor ich schlafen gehe.
Ich habe meine Prinzipien und von denen lasse ich auch nicht so schnell ab. Ich
weiß, wohin ich möchte, ich weiß, wer ich bin, ich weiß, was ich kann. Dass ich dadurch
auch mal nicht gefalle, gehört dazu und macht eine diverse Modelandschaft
aus. Und ich meine, es ist für jeden in der Branche, oder es sollte zumindest für jeden in
der Branche irgendwie Platz sein, auch für mich.
2009 habe ich angefangen, Modedesign zu studieren und da waren noch alle da.
McQueen, Galliano damals für Dior und so weiter und so fort. Das sind meine
großen Heroes gewesen, deswegen mache ich die Mode, die ich heute mache,
aufgrund deren Inszenierung.
Wenn man bei uns im Studio ist, gibt es ein riesengroßes Motivationsbord an der
Wand, wo du gefühlt nur Arbeiten von McQueen und Galliano siehst, weil
sie für mich so krasse Visionäre sind.
Cyte: Was sind deine nächsten Pläne.
Danny: Ich bin gedanklich schon an der neuen Kollektion dran. Die Fashion Week
wurde zwei Wochen nach vorne verlegt, das heißt, es fehlen zwei Wochen.
Zwei Wochen sind für mich, der alles selbst macht, sehr viel. Deswegen habe ich
schon ein bisschen Hummeln im Hintern und will relativ zügig mit den
Kollektionsteilen anfangen. Allein die Recherche-Phase nimmt recht viel Zeit ein, bis
die richtigen Stoffe gefunden sind etc..
Cyte: Wo bekommst du die Stoffe her?
Danny: Ganz, ganz unterschiedlich. Überwiegend aus Europa, also viel aus Italien
und Frankreich. Natürlich gibt es auch hier in Berlin ein, zwei Händler, bei denen
man leftover fabrics noch dazu nehmen kann. Aber ich muss immer im Hinterkopf
behalten, dass ich die Bestellungen auch mit den entsprechenden Stoffen
aufgearbeitet bekomme, daher ist es ein stetiges Abwägen, woher welche Stoffe und
wieviel je Variante notwendig sein wird. Hinzukommt unser hohes
Nachhaltigkeitsgebot, das uns leitet, an das wir uns streng halten. Diese Saison
habe ich zum Beispiel wieder mit einer Textildesignerin zusammengearbeitet, die für
uns Stoffe anfertigt. Es gibt in der neuen Kollektion einen weiß-schwarzen Mantel,
den wir zusammen gemacht haben, den hat sie aus allen Reststücken gefilzt.
Cyte: Nach der Show ist vor der Show – würdest Du lieber in längeren Zirkeln
arbeiten, hättest du gerne mehr Zeit für Kollektionen?
Danny: Auf der einen Seite ist es gut, wenn man nur eine fest definierte und damit
knapp bemessene Zeit für die Kollektionen hat. Sonst zieht sich der Prozess ewig.
Letztlich aber ist für mich eine Kollektion nie fertig. Ich kann sie immer weiterspielen,
weiterspielen, weiterspielen. Deswegen ist es für mich gut, dass es eine Deadline
gibt. Auf der anderen Seite, ja, fällt die Kreativität manchmal hinten runter und mit
mehr Zeit, denke ich, könnten wir noch extremere Sachen machen oder wir könnten
noch schönere Sachen machen.
Ich will mich aber nicht beschweren. Gerade arbeiten wir in der 17. Saison. Man
kennt das, die Routine ist da und man weiß, es geht vorwärts. Man muss aber auf
sich achten und das tiefe Loch, das sich nach einer Show auftut, verstehen zu
umgehen bzw. lernen, wie man da heil wieder rauskommt. Die meisten kennen das
wohl.
Cyte: Das ist immer diese wahnsinnige Anspannung und dann macht es Puff und
nach 20 Minuten ist das Ganze vorbei.
Danny: Absolut. Ich liebe aber die Zeit danach, weil diese ganze Last auf einmal
abfällt und man in diesem Moment einfach frei ist. In dem Moment warten keine
weiteren Aufgaben. Man weiß in diesem Moment, man hat diesen Meilenstein wieder
geschafft und jetzt kann man ihn genießen. Am Tag danach geht es wieder weiter.
Und auch das ist genau richtig.
Cyte: Ist denn beim nächsten Mal nochmal Collective Four angesagt?
Danny: Ja, das Format ermöglicht es uns, weiterhin auf der Fashion Week präsent zu
sein. Collective Four ist ja nicht nur eine Zweckgemeinschaft. Wir tauschen
uns viel aus, lernen voneinander, sind befreundet und versuchen Synergien zu
nutzen. Das ist in der Modebranche auch nicht immer der Fall. Diese Saison
war, wie bereits erwähnt, nicht sehr einfach. Die Sommersaison sieht aber jetzt
bereits rosiger aus, für uns alle. Wir konnten bereits ein paar Sponsoren für
uns gewinnen.
Cyte: Lieber Danny, vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!
Photographer: Winston Sussens
Hair & Make-Up: Sonja Shenouda
HMU Assistant: Mariam Gissokho
Styling: Merret Sophia Azeeza Fuxius
Models: Salem Aida@Izaio Model Management
Ibrahim Thiaw@Indeed Models
Studio: Velt Studio
Outfits: Danny Reinke
Headpieces: Gamma Sky
Shoes: Maison Baum & Zara