Ich hatte Antwerpen nie wirklich auf meiner Agenda. Wusste, dass es existiert, dass da irgendwas mit Mode und Diamanten läuft, Paul Peter Rubens da gelebt hat. Das war´s. Dann ging es plötzlich um Restaurants. Restaurants in denen alles stimmt, Ambiente, Wein, Styling – der Gerichte und des Service …. Und dann kam Sergio Hermann mit seinem Pure C in Cadzand, oben an der holländischen Küste – unweit von Ostende. Da wollte ich tatsächlich schon immer mal hin.

In Ostende waren wir nicht. Aber in Cadzand. Und vor allem in Antwerpen. Und das war unfassbar. Wir waren gut essen, wirklich gut – erstes Anliegen erfüllt.

Zweites Anliegen: Mode. Dries van Noten, Ann Demeulemeester, A. F. Vandevorst, wir haben sie gefunden und in den Kollektionen perfekte Klamotten gesichtet. Gekauft? Nein. So mal eben macht man das dann doch nicht. Also, ich nicht. Ich brauche gerne mal etwas länger.

Und wenn man keine Tüten aus den Geschäften trägt, dann bedarf es anderer Befriedigung. Das MOMU, das ModeMuseum schien uns der richtige Ort, um den Gedanken an schöne Sachen weiterzuspinnen, tiefer in dieses wohlige Gefühl Mode machen, kreativ sein einzutauchen, noch mehr Glam inklusive Schauer der Hochachtung, Demut aufkommen zu lassen und letztlich gutes, gesundes, befriedigendes Wissen aufzusaugen. Der Plan ging nicht auf, das MOMU wechselte gerade die Ausstellung. Uns blieb nur der Museumsshop. Und da kam uns plötzlich Rinus dazwischen, in Form seines Austellungsbuchs. Bei Dries van Noten hatte man uns die Galerie Tim van Laere empfohlen, in dem Zusammenhang war auch der Name Rinus van de Velde das erste Mal gefallen. Jetzt sahen wir seine Bilder in seinem Buch und wussten, dass wir da auf jeden Fall noch hin müssen. Sind wir dann auch. Und waren sofort eingenommen, von diesen großen, dunklen Bildern, den bunten Papppalmen, der quietschigen Pappbadewanne, dem bruchgelandeten Pappflugzeug … von dieser Geschichte des Absturzes, die sich um uns herum aufbaute. Ich wusste zunächst nicht so recht, wo ich anfangen sollte, bei welchem Bild, bei welcher Installation; sollte ich nah an diese riesigen, rußigen Flächen gehen, um die Geschichte am unteren Bildrand zu lesen oder über den Blick von weit weg (im Rücken die nächste Papppalme) diese „Graphic Novel“ einfach nur über die vielen Details in diesen großen, dunklen Welten in mein Hirn dringen lassen? Ich schwankte in dieser niedrigen Galerie, mit diesen wahnsinnig netten Menschen, mit Absurditäten von Jonathan Meese im Innenhof, dem pinken Jutebeutel (YEAHH) und letztlich Rinus` Austellungsbuch konstant zwischen offenem, ausgetrocknetem und aufgeblähtem Mund, weitgeöffneten und eng zusammen gekniffenen Augen, grübeln, rätseln, stolpern …ziemliches Chaos . Und dieses Mal sehr ausgeprägt: Kribbeln auf der Haut. Schweres Schlucken. Hochachtung. Demut. Glücksgefühl.

Rinus geht uns nicht mehr aus dem Kopf – und jetzt auch nicht mehr aus dem Blick. Zwar haben wir keins seiner Bilder. Aber wir haben seinen Kopf, mit drittem Auge, dem Auge seines vergangenen Ichs.

CREDITS

Text: Lenya Meislahn #l_meislahn

Photograph: Thirza Schaap #thirzaschaap