Parcels: Beyourself

 

Man stelle sich einmal vor, man lebt im australischen Byron Bay, dem weltbekannten Surfspot, zupft an seiner Gitarre oder drückt die Tasten seines Keyboards, beendet die Highschool und fängt dann an mit seinen Kumpels in einer Band zu spielen. Wie sagt man so schön, in jedem Ende liegt auch ein Anfang und dies gilt besonders für die Band „Parcels“

Die Sonne lacht, das Shortboard steht immer bereit in der Garage, der Strand ist dein zweites zu Hause und musikalisch hast du inzwischen auch deinen Stil gefunden. Byron Bay, der Ort der für viele ein Traumziel ist, aber nicht für die „Parcels“, jedenfalls nicht, um die 2014 gegründete Band nach vorne zu bringen.

Was soll man auch machen, Byron Bay hat zwar einen Traumstrand, aber ist eben auch eine Kleinstadt mit gerade einmal knapp 5000 Einwohnern (plus Backpackern aus aller Welt).
So begab es sich im Jahre 2015, dass die Fünf Freunde Jules Crommelin, Patrick Hetherington, Noah Hill, Louie Swain und Anatole Serret die Flucht aus dem Paradies antraten

Ziel war Berlin, nicht etwa London oder wenigstens Paris. Warum Berlin? Die Auflösung gibt es im Interview.
Ein mutiger Schritt mit Anfang 20, für den es aber laut Jules keine Alternative gab. Einfach mal alles auf eine Karte setzen, alles hinter sich lassen und an sich und seine Talente glauben.
Es gibt wahrscheinlich nicht viele Menschen, die so einen Schritt gewagt hätten, vor allem, weil die „Parcels“ zu dieser Zeit noch nicht richtig gut im Geschäft waren. Der Glaube, in diesem Falle zur Musik, kann halt Berge versetzen.

In Berlin werkelten Sie in einer kleinen Wohnung weiter an Ihrer Musik und landeten schließlich beim französischen Label Kitsuné. Es folgten Auftritte bei verschiedenen Festivals und dann eine richtungweisende Begegnung mit „Daft Punk“. Bei einem Konzert der „Parcels“ in Paris waren die beiden Daft Punker im Publikum und da Sie begeistert von dem waren, was sie da hörten, kam es zur Zusammenarbeit. Der Track „Overnight“ wurde von den „Parcels“ gemeinsam mit Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter geschrieben und produziert und kommt bei Spotify inzwischen auf über 22 Millionen Streams. Die Band auf „Overnite“ zu reduzieren ist aber zu einfach, denn auch die anderen Songs lohnen sich.

Der Mut wurde also belohnt und wenn man einer Band den Erfolg gönnt, dann gehören sicherlich die „Parcels“, mit ihrem funky, groovy, smoothy Electropop, dazu.
In der „Parcels“-Musik lassen sich verschiedene Einflüsse ausmachen, hier mal ein bisschen Nile Rodgers, da mal eine Prise Steely Dan, dort einen Hauch Beach Boys (wie sollte es anders sein) und auch Fleetwood Mac oder Supertramp werden den Fünf nicht unbekannt sein. Man wundert sich über die musikalischen Gewürze, da diese doch eher zu der “alten“ Musik gehören. Noch verwunderlicher sind die von Jules und Patrick genannten Inselplatten (siehe Interview).

Wenn man bedenkt, dass die „Parcels“ erst vier Jahre jung sind und das das erste Album noch nicht erschienen ist (bisher nur EPs und Singles, Album kommt im Oktober 2018) kann man wohl sagen, die „Parcels“ erobern die Welt im Sturm.
Inzwischen tourt die Band um den ganzen Globus. Auf dem Tourplan stehen u.a. Paris, Stockholm, London, Los Angeles, Tokyo, Sydney und….Dangast.

In Dangast auf dem „Watt’en Schlick“ Festival trafen wir die „Parcels“ für ein Fotoshooting und für ein Interview (Jules und Patrick nahmen sich Zeit für uns) und man muss sagen, nicht nur musikalisch machen die Jungs eine gute Figur, auch in Sachen Style macht den „Parcels keiner etwas vor.

 

Cyte Magazin: Ihr seid vor drei Jahren noch Berlin gezogen, warum Berlin und nicht London oder Paris?

Jules: Ein Freund hat uns in Australien erzählt das Berlin cool sei und dann haben wir uns für Berlin entschieden, außerdem sind London und Paris einfach viel zu teuer, das hätten wir uns nicht leisten können.

Cyte Magazin: Wäre Hamburg nicht zum Beispiel auch eine Möglichkeit gewesen?

Jules: Findet ihr Hamburg besser?

Cyte Magazin: Naja, da ist immer dieser der Hype um Berlin aber die Attitüde in Berlin ist dann doch oft sehr egoistisch oder dickköpfig, es herrscht nicht immer dieser coole Underground Vibe den viele Leute beschreiben.

Patrick: Was ich an Berlin schätze sind nicht die „Hipster“, sondern eher die Gelassenheit, die Offenheit und die Ruhe die man in Berlin haben kann.

Jules: Zum Leben ist das dort doch entspannter als in London und Paris.

Partick: Berlin ist einfach langsamer als diese Städte.

Jules: Einfach weniger stressig.

Cyte Magazin: Im Vergleich zu Australien, gibt es irgendetwas das ihr vermisst?

Patrick: Den Strand

Jules: Die Natur. Der Geruch der australischen Natur in der Luft.

Cyte Magazin: Und gibt es Dinge in Deutschland die vergleichbar mit Australien sind, wie zum Beispiel der warme Sommer 2018 J.

Jules: Da wo wir herkommen, gibt es eine Menge Deutsche, ich bin sozusagen mit deutschen Backpackern aufgewachsen. Außerdem gibt es eine Menge deutscher Einflüsse von der vorangegangen Generation die nach Australien gekommen sind, wie zum Beispiel die Generation meines Vaters. Dann gibt es noch die vielen Deutschen der Sannyasin-Bewegung in Byron Bay, die „Orange People“, also ist uns Deutschland gar nicht so fremd.

Cyte Magazin: Lasst uns mal ein wenig über Musik reden. Ihr seid tausendmal über Daft Punk und Nile Rodgers befragt worden….

Jules (lacht): Ja, das stimmt….

Cyte Magazin:……es gibt aber bestimmt noch einige andere musikalische Vorbilder. Wenn man eure Musik hört, dann hört man schon einige Einflüsse, aus denen ihr aber eine clevere neue Musik formt.

Patrick: Welchen Song meint ihr zum Beispiel?

Jules: Da gibt es eine Menge Einflüsse. Jeder Song den wir schreiben verfolgt eine Idee. Da fängst du hier an, dann kommt dieser Einfluss dazu und dann endest du dort. Das ist von Song zu Song unterschiedlich…..(lacht)…..es kommt einfach alles zusammen, weil wir unser Ding machen.

Cyte Magazin: Schreibt ihr die Songs gemeinsam?

Jules: Ja, ich schreibe eine Menge, aber wir kommen dann mit der Band zusammen und treffen weitere Entscheidungen, das ist ein fünf Mann Ding.

Cyte Magazin: Was auffällt, ist euer Style, euer Kleidungstil….

Patrick (zeigt auf Jules Hemd): Das zum Beispiel…..

Cyte Magazin: Ja, das ist wirklich schön. Was immer wir von euch gesehen haben, passt perfekt. Dein Style Jules sieht aus wie vom „Flohmarkt“ aber auf eine total coole Art und Weise. Eure Kleidung sieht nicht aus wie von einem Stylisten übergestülpt und jeder von euch hat ein bisschen seinen eigenen Kleidungsstil. Übrigens Jules, tolle Frisur….

Patrick: Der Friseur heißt übrigens auch Stephan, aus Berlin

Cyte Magazin:…..Sucht sich jeder seine Kleidung selbst aus, oder habt ihr einen Kleidungskonzept für die Band?

Jules: Nein, nicht komplett. Klamotten sind ein kleines Hobby von mir, das kommt noch aus der Zeit als ich Anatole (der Drummer) kennengelernt habe, wir liebten Shopping und dann haben wir Patrick angesteckt…..

Patrick (lacht): Oh nein, ich mag kein Shopping. Ich stehe auf „Free Shirts“ so wie das was ich heute anhabe.

Jules: Ja, so wir das Shirt was du heute anhast, vom Festival gestern.

Patrick: Wir hatten eine Menge Fotoshootings mit Stylisten, die dann mit so einem paar Klamotten ankamen und irgendwie fühlten wir uns mit den ausgesuchten Style häufig unwohl, deswegen haben wir uns dann entschlossen selbst auch immer ein paar Klamotten mitzubringen und das klappte dann am Besten.

Jules: Das Wichtigste ist, dass wir uns so fühlen wie wir sind. Be ourselve, that‘s the most importent thing!

Cyte Magazin: Wann erscheint euer erstes komplettes Album?

Jules: Im Oktober

Cyte Magazin: Spielt ihr den Live schon einige neue Stücke aus dem Album?

Jules: Ja, ein paar. Wir spielen „Bemyself“, unsere neue Single, wir spielen „Tieduprightnow“ und noch ein paar andere.

Cyte Magazin: Wie wird euer Album heißen?

Patrick: Einfach „Parcels“. Ich glaube das haben wir noch gar keinem erzählt.

Cyte Magazin: Habt ihr den „Parcels“ Schriftzug selbst erdacht? Irgendwie passt auch dieser Schriftzug perfekt ins Gesamtbild.

Patrick: Der Schriftzug wurde von Alex Courtès, einem Designer in Paris, erdacht.
(Übrigens, ist Alex Courtès nicht irgendein Designer, sondern einer der Väter der Daft Punk Helme und ein bekannter Videoregisseur – Anm. die Red.)

Cyte Magazin: Vorletzte Woche habt ihr noch in Lissabon gespielt und dann heute in Dangast, wie ist es für euch so völlig unterschiedliche Orte zu bespielen?

Jules: Ja, das stimmt. Ich liebe es überall hinzufahren…(lacht). Wir waren hier schon mal auf diesem Festival, ich glaube vor zwei Jahren….

Patrick: Es war letztes Jahr….

Jules: …und das hier ist ein wirklich nettes Festival, deswegen wussten wir auch schon wie es hier ist.

Patrick: Als wir hier letztes Jahr gespielt haben, wurde unser Konzert um 0 Uhr abgesagt, da ein Sturm und Gewitter aufgezogen ist. Alle Festivalzuschauer haben das Fetsivalgelände rennend verlassen. Der ganze Spuk war nach ca einer halben Stunde vorbei und alle Leute kamen wieder zurück. Wir konnten dann unser Konzert sogar noch so gegen 2 Uhr Nachts spielen und wir hatten eine phantastische Nacht. Da war eine Menge Energie in der Luft.

Jules: Ja, alle warteten in ihren Autos auf das Ende des Unwetters, das war irgendwie lustig.

Cyte Magazin: Stellt euch vor, ihr könntet einen Tag in den 60igern in die Rolle der Stones oder der Beatles schlüpfen. Welche Band würdet ihr wählen.

Jules: Ich würde die Beatles wählen. Da waren Sie gerade dabei groß zu werden….ich weiß nicht genau….

Patrick: Ja, die Beatles, die sind da explodiert.

Cyte Magazin: Nun die unvermeidliche Frage nach euren fünf Inselplatten?

Jules: Das Insel-Ding…wir haben da auch schon drüber geredet.

Patrick: Meint ihr jedes Album oder eine bestimme Richtung.

Cyte Magazin: Nein, keine Richtung. Alles ist möglich.

Patrick: Ich denke das ist komplex….

Jules: Ich wähle da eine strategische Herangehensweise. Ich brauche definitiv eine Platte die mich runter bringt, dann eine Platte die mich bildet, bei der ich zuhören muss…

Patrick: Ich höre gerne mal eine Dylan Platte und ich muss feststellen, jedes Mal wenn ich Dylan höre, fühle ich mich mit der Musik verbunden und ich kann immer wieder neue Dinge entdecken, auch textlich.

Cyte Magazin: Was habt ihr denn in eurer Kindheit gehört?

Jules: Womit es bei mir musikalisch und textlich anfing war Rodríguez, ja, den nehme ich auch mit auf die Insel, das Album Cold Fact…..ja….hm….das ist ja schon mal eins (lacht)…was meinst du Patrick, ist „Cold Fact“ eine gute Wahl? (lacht)

Patrick: Ich denke Stevie Ray Vaughan „Cold Shot“ wär auch nicht schlecht….oder. vielleicht doch nicht….

Jules:….Nä, ich würde „Kings of the Blues“ von B.B. King mitnehmen, das ist einer der Platten die ich als Kind bei meinem Vater entdeckt habe, das ist eine frühe Platte von King aus den 60igern. Diese Platte verbreitet bei mir so einen „Happy Spirit“ jedes Mal wenn ich das Album höre. B.B. King ist einfach groß. Jetzt hab ich zwei Platten…..(überlegt)……..
Ich nehme noch das Mahavishnu Orchestra….(überlegt lange)……..Patrick, sag du doch mal was.

Patrick (überlegt): Ich würde ein klassisches Orchesterwerk mitnehmen, zum Beispiel von Debussy…..

Jules: Ja, ich nehme etwas von Ravel mitnehmen. Ich finde das ist wirklich tolle, besondere Musik, das ist mein edukatives Album.

Partick: Ich würde Pet Sounds mitnehmen, obwohl ich es noch nicht gehört habe…

Jules:….das ist aber ein Risiko….

Patrick:…ja, das ist ein Risiko. Ich weiß aber das es ein phantastisches Album sein soll, ich würde mich dann da reinarbeiten……ohh, schwierig…..(überlegt)

Cyte Magazin: Eure gewählten Platten sind alle ziemlich alt, gibt es auch neuere Musik die euch interessiert?

Patrick: Ja klar, ich würde definitiv noch ein Hip Hop Album wählen, zum Beispiel 1999 von Joey Badass oder Damn von Kendrik Lamar.

Jules: Oh, das ist so düster.

Patrick: Ja, es ist aber auch komplex.

Cyte Magazin: Habt ihr den auch schon den seltsamen deutschen Gangster Hip Hop kennengelernt, gerade aus Berlin kommen da ja einige Rapper.

Patrick: Trap? Dieser Autotune-Kram? Eigentlich kenne ich deutschen Rap nicht gut. Auf Festivals sieht man mal einige Künstler, aber ansonsten kenne ich mich da nicht aus.

Cyte Magazin: Kennt ihr sonst irgendeinen deutschen Musiker?

Jules und Patrick im Chor: Rammstein

Patrick: Ich habe letztens einige Songs von Tristan Busch gehört. Das klang irgendwie wie ältere Musik, mit so einem Waltzergefühl, aber mir hat es sehr gefallen.

Cyte Magazin: Gehen wir zu einen anderem Thema: Deutsches Lieblingsessen?

Jules: Ich würde sagen…..Gulasch und ich liebe Semmelknödel.

Patrick:…und Rotkohl, das liebe ich.

Cyte Magazin: Wenn ihr nicht im Studio oder auf Tour seid, wo geht ihr dann in Berlin aus?

Jules: Ich gehe in ein schönes Restaurant, ich werde nämlich langsam alt (lacht). Da gibt es so ein nettes italienisches Restaurant, direkt bei mir um die Ecke (lacht), es heißt „Der goldene Hahn“. Ich mag einfach Italienisches Essen.

Patrick: Ich mag ein Restaurant in Berlin wo es nur Organic Food gibt. Da gibt es tolles Essen.

Cyte Magazin: Ihr habt mit Anfang 20 Australien verlassen und alles auf eine Karte gesetzt…..

Patrick:….was hätten w denn sonst machen sollen?

Cyte Magazin: Keine Ahnung….? Wir finden das ist ganz schön mutig und das hat Respekt verdient.

Jules: Wenn man darüber nachdenkt, dann war es kein Risiko, es war eher so ein seltsames Gefühl vielleicht zu scheitern. Für mich gab es keine Alternative. Ich habe seit dem ich neun war Musik gemacht und das Gefühl Musik zu machen war immer stark, ich hatte keinen Plan B, ich wusste das war alles was ich machen wollte und wo mich das hinführt, würde man dann sehen.
Nun sind wir hier und machen Musik und es läuft doch ganz gut (lacht).

CREDITS

Text: Dirk Eichhorn #don_squirrel 

Photograph: Stephan Ziehen #stephanziehen