„Millennials“

30, binärgeschlechtlich und Layla grölend – Warum Millennials die eigentlichen Boomer sind.

Millennials in Deutschland. Sie sind mit knapp 16 Millionen die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe nach Alter gestaffelt, lieben laut Konsumstatistik Toffifee und erinnern sich an die große Panik vor Silvester 2000. So weit, so öde, aber…

Jetzt wird’s peinlich. 2019 hieß es „ok Boomer“ in dem Meme, auf das sich Gen Z und wir, die zwischen 1981 und 1996 geborenen Millennials, ausnahmsweise einigen konnten. Mit den Boomern waren nicht nur die tatsächlichen, nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen Baby Boomer gemeint, sondern alle Menschen, die konservative Meinungen vertreten über Dinge weltpolitischer Relevanz wie Klimawandel, die Frage ob Milliardäre ihr Vermögen wirklich ehrlich erarbeitet haben usw. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“. Das Durchschnittsalter von Querdenkern liegt bei 47, also genau zwischen Millennials und Boomern. Mich überrascht das wenig.

Denn spätestens seit die Pandemie 2020 die Welt überrannte, stand für mich fest: Millennials sind die wahren Boomer. Jeder Blick aus meiner sozialen Bubble heraus offenbarte Schlimmes für mein Bild der Menschen in meiner Generation. Heimliche Partys während der Ausgangssperre und der Lockdown-bedingte Babyboom (aha!) ließen mich beinahe tägliche neue Kulturschocks erleben. Die Babys werden dann natürlich mit ausgefallenen nordischen Namen versehen und im Lastenrad (dem mobilen Symbol der Gentrifizierung) in der Gegend rumgekarrt. Couldn’t be me (allein, weil ich nicht mal die sozial-finanzielle Stellung habe, aktiv an Gentrifizierung teilzunehmen).

Die, die noch keine Eltern sind, tummeln sich auf Dating Apps und schreiben in ihr Profil ‚old fashioned – habe kein Social Media‘ (zumindest die Männer). Da läuten bei mir sämtliche Alarmglocken. Old fashioned bedeutet einfach, du bist mehr oder minder heimlich ein Kleinstadt Andrew Tate und fragst beim Thema ‚Gewalt gegen Frauen‘, was denn mit den Männern sei. Natürlich bist du ein Freigeist, aber glaubst fest an zwei Geschlechter. Wer in den sozialen Medien nicht vertreten ist, hat doch einfach etwas zu verstecken. Zum Beispiel das Fehlen von jeglicher Persönlichkeit, das mit der Profilierung über das nicht vorhandene digitale Ich kompensiert werden muss.

Wieso ich so abwertend über meine Peers denke? Will ich ja gar nicht. Aber diese Harry Potter-liebenden, im Unverpackt-Laden-einkaufenden und Scheiße für Satire-haltenden Menschen lassen mich einfach sehr oft Fremdscham empfinden. Gen Z, um deren Kaufkraft sich vom Kiez Kiosk bis zur ausbeuterischen Riesenmarke alle kloppen, ist einfach die bessere Generation. Besonders ihre Einstellung zur vielzitierten Work-Life-Balance feiere ich. Meine Boomer-Millennial (Moomer?) Kolleg:innen machen Überstunden und gönnen sich danach nicht mal eine Runde Doomscrolling zum Runterkommen, weil Internet böse und so. Und Gen Z macht sich auf TikTok & Co gern über die nächstältere Generation lustig. Zu Recht.

Ich dagegen bin eine cool Mom, not a regular Mom. Das mache ich unter anderem daran fest, dass ich immerhin 9 von 10 Begriffen aus der Jugendwort des Jahres Shortlist 2022 kenne. Apropos cool Mom – In Mean Girls war Schauspielerin Amy Poehler, die die entspannte Mutter einer Teenagerin spielte, gerade einmal 31. So alt wie ich jetzt. Autsch. Das Altern macht uns Millennials sehr zu schaffen. Und da unterscheide ich mich nicht von meinen Gleichaltrigen.

Vielleicht bin ich schon in der Schiene ‚ich umgebe mich mit jungen Menschen, um jung zu bleiben‘ – aber vielleicht bin ich auch einfach wirklich anders, wer weiß. Kleiner Fun Fact zum Schluss: Ich habe mit 10 das erste Harry Potter Buch gelesen, fand es langweilig und habe nie wieder eins in die Hand genommen. Ich habe trotzdem Anglistik studiert und muss heute keine Ausflüchte finden, warum J.K. Rowlings Aussagen über Transfrauen doch gar nicht so schlimm seien. Millennial Feminismus ist nämlich auch sehr Schwarzer-gefärbt. Aber darüber sprechen wir ein andermal.

Text: Sabina Derendelic