GOLDIE – DER VOGEL DES JAHRES*

*Einladungstext zu ihrem Geburtstag 1999 „Geburtstag der Goldammer“

Goldie in Missoni

Goldie in Issey Miyake

Goldie in GELB

Gelbe Wände, im ganzen Haus!

„Gelbe Haare“ (Zitat!) Es würde ihr nicht gefallen, wenn ich „güldene“ schriebe. Die Haare sollen gelb sein. Dieses Mal hat die Friseurin den Gelbton nicht so gut getroffen. Was soll´s. Da muss man durch.

Ich kenne nicht viele, die Doris von Goldammers Alter haben, aber ich bin sicher, es gibt nicht allzu viele ihrer Art in diesem Alter. Was toll ist! Denn dann würde Doris von Goldammer nicht in ihrer Einzigartigkeit herausragen, erhobenen Hauptes. Dann wäre die Kombination aus gelbem, zu Teilen krausem Haar und einem Knoten seidig glatten, sehr langen Haares auf dem Kopf inklusive knappen Ponys, grünen, in strenger Form gehaltenen Augenbrauen, grünem Lidschatten und roten Lippen ja normal. Dann müsste Doris von Goldammer einen praktischen Topfschnitt und sandfarben-bleiche, praktische Anoraks und bitteschön keine Farbe im Gesicht tragen, damit sie auffiele.

Denn das ist es, was sie tut. Auffallen. Und das irgendwie auf eine sehr hanseatisch vornehme Art. Unaufdringlich. Ein Kunststück, das in ihre DNA eingewoben ist. So wie ihr Stil, ihre Art Kleidungsstücke zu kombinieren und sich in ihnen wohlzufühlen, wie in ihrer eigenen Haut.

À propos: Ihre Haut ist makellos, ihre Bewegungen sind fließend, dabei unauffällig pointiert, ihre Mimik stechend berechnet, ihr Verstand blitzklar, sie strahlt vor Selbstsicherheit und Stilsicherheit – sage ich das jetzt trotz ihres Alters oder gerade deswegen? Würde ich das bei einer jüngeren Frau auch so hervorheben? Bei einem Mann? Welchen Alters auch immer? Ach sei es drum, auch darüber macht sich eine Doris von Goldammer keinen Kopf. Sie ist wie sie ist, war schon immer so und es gibt keinen Grund, sich sie in irgendeine Schublade zu denken, um sie greifen zu können. Denn sie würde auch in gar keine der vielen Schubladen passen.

Je ne regrette rien, Edith Piaf läuft während des gesamten Shootings. Und das passt, wie man sich, nach obiger Beschreibung, vorstellen können sollte, ungemein gut zu unserem Model. Sie war nach der Schule eine Zeit lang in Paris, spricht heute noch fließend Französisch und irgendwie hat sie das geprägt. Ihren Gang, ihre Gestik, wie sie ihren Kopf hält – all das hat etwas Französisches.

Stylistin: Als nächstes wollen wir dieses hier (zeigt Outfit).

Doris: Oh nee, ich glaube das geht nicht!

So sagt man auf goldammerisch höflich „Spinnst Du? Das ziehe ich auf gar keinen Fall an.“

Sie ist immer gerne und immer viel gereist. Selbstverständlich mit Louis Vuitton-Kofferset. Und mit Hut schreitet sie die Gangway hinunter. ((BILD)) ((BildUnterschrift: Doris von Goldammer betritt mallorquinischen Boden, 1974))

Und dann kommt das, was ich in meinem Kopf nicht so recht zusammenbekomme: der Job bei der Autovermietung. Sie hat dort das Team geleitet, hatte Verantwortung – und eine Uniform getragen, mit weißer Bluse aus Nyltest. Die warf sie jeden Abend in die Ecke – nicht, weil sie den Job nicht mochte, sondern um endlich in ihre eigene Haut zu steigen. Aber anders als bei so vielen, war die „eigene Haut“ selten etwas Schlichtes, so genanntes Normales. Es waren (und sind geblieben) Dries van Noten, Chloé, Issey Miyake, Callaghan, Etro.

Und da hakt es in meinem schlichten Kopf. Warum nicht ein Job in der Fashionindustrie, wo es sich um nichts Anderes dreht als um Mode, Designer, Stoffe, Farben? Warum – Verzeihung – so etwas Banales und Bodenständiges wie Autovermietung? Wie passt das zum Fashion Victim (Zitat), das einen Hauch von Glam und Kribbeln auf der Haut verspricht? Aber Doris sagt ganz trocken, fast vorwurfsvoll: „Ich brauche ja auch etwas für den Kopf. Es war spannend, ich hatte Verantwortung für ein 14-köpfiges Team, war viel unterwegs, habe später das Groß-Kundengeschäft mit betreut. Das war aufregend und ich konnte meine vielen Sprachen sprechen, Französisch, Englisch, Italienisch.“

Und dann kommt da aber doch noch der Glam dazu. Als Komparsin bei verschiedenen Produktionen, neben Hannelore Hoger oder Evelyn Hamann. Und nach der Autovermietung kamen schließlich doch die Mode-Jobs, unter anderem bei Linette im Outlet, wo sie schwelgen und schwärmen konnte, ihre Leidenschaft an die Kunden weitergab. Vier schöne Jahre waren das. Bis heute ist Linette eine ihrer Lieblingsbezugsquellen.

Es folgen die Einladungen zu Eröffnungen, Einladungen zu Vernissagen. Doris ist ein sehr gern gesehener Gast. Man schätzt sie, weil sie so aussieht wie sie aussieht und weil sie unterhaltsam ist, weil sie direkt ist, vollkommen unprätentiös („Der Fleck? Das ist kein Altersfleck, der kommt von meiner Schlupflider-OP), selbstironisch und scharfsinnig. Sie ist Mitglied in der Kunsthalle und im Museum für Kunst und Gewerbe. Sie geht gerne aus, ist gerne unter Menschen, engagiert sich.

Und dann ist sie aber gerne wieder zu Hause, in ihrem Geburtshaus, mit den gelben Wänden und der beeindruckenden Magnolie im Vorgarten und den riesengroßen Rhododendren im hinteren Garten, wo die Nachbarskatze dem Igel das Futter klaut. „Unverfrorenes Ding!“

„Goldie“

Text: Henrike Heick #lousalo – Photograph: Stephan Ziehen #stephanziehen – Styling: Anna Kühmstedt #annakuehmstedt – Make-Up: Evelyn Innerhofer #evelyninnerhofer – thanks to Melanie Arnold #melanie.arnold