Cyte-6

Mein erstes Vorwort habe ich irgendwann Ende April, mitten im Lockdown begonnen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, ob wir überhaupt ein Heft machen werden, weil alles ungewiss war. Es waren endlose Tage im Homeoffice, mit viel Sonnenschein und kristallklarer Luft. Entschleunigt und still, ungewohnt wohltuend und fast beruhigend. Aber auch diese unterschwellige Angst, wie es weitergehen wird, wie lange es dauert und was dann kommt.

In dieser Zeit hätte ich gar nicht so richtig gewusst, über was wir schreiben, was wir photographieren oder illustrieren sollen, es passierte ja nichts mehr, außer jeden Tag neue Nachrichten über die Pandemie. So wie viele Leute ihre Wohnungen renoviert und entrümpelt haben, konnte man auch seinen Geist mal ausmisten. Keine neuen Filme, Konzerte, Ausstellungen oder Restaurants. Keine neue Mode, keine Shows und kein Shopping – wenn dann nur online. Ich fand das ganz entspannend, keine Zerstreuung mehr, sondern nur auf sich selbst zurückfallen. Und auf einmal, ganz langsam und zögerlich entstanden wieder Bilder in meinem Kopf, ich konnte mir wieder Geschichten ausdenken, mit anderen Ideen austauschen. Diese Pause hat gut getan.

Vor allem weil sie, wenn auch unfreiwillig, unserer Vorstellung von Konsum, Nachhaltigkeit und Luxus entsprach. Weil wir schon immer „Weniger“ als „Mehr“ empfunden haben. Weniger Luxus, weniger Mode, weniger Angeberei, weniger Status-Symbole aber auch mehr Tagträume, mehr Spinnerei, mehr Verrücktheit, mehr Gelassenheit und mehr Kreativität.

So ist langsam – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Heft aus dem Nichts entstanden. Auch weil sich dann auf einmal das Jahr 2020 mit voller Wucht zurückmeldete. Die Pandemie brachte das Beste und das Schlimmste in den Leuten zum Vorschein und Dinge, die bisher nicht denkbar oder möglich waren, gingen auf einmal: Homeoffice und Videokonferenzen waren die einzige Möglichkeit, die Zahnräder am laufen zu halten. Eine neue Generation Bäcker versuchte sich an Sauerteig-Broten. Aber auch alle verrückten Staatenlenker zeigten wiederholt ihre dunkelsten Seiten, in der es nur darum ging, ihre Macht zu erhalten und nicht für die Menschen da zu sein. Spätestens nach dem Mord an George Floyd war das Thema Rassismus überall auf der Welt präsent. Wir weißen Menschen dürfen nicht zu viel dazu sagen, weil wir es nicht wirklich verstehen und nachvollziehen können, aber wir könnten anfangen dazu zu lernen. Das fällt nicht immer leicht, weil viele sprachliche „Gepflogenheiten“ so tief sitzen, dass es schwer fällt sie zu ändern. Aber Sprache ist wichtig und ändert alles.

Ich bin groß geworden mit den Worten wie Negerkuss, Zigeunerschnitzel, Indianer und Sarrotti-Mohr. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie die Leute, die damit gemeint sind, sich damit fühlen. Aber ich verstehe, was falsch gelaufen ist.

Jetzt Jahre später ist mir bewusst, wie ignorant und selbstherrlich ich war.

Wir leben in einer Welt, sind alle gleich und haben alle die gleichen Rechte und sollten alle gleichberechtigt behandelt werden.

Passiert nicht!

Das muss sich ändern!

Vielleicht fällt auch einigen von euch auf, dass es tatsächlich auch Bilder mit lachenden Menschen in dieser Ausgabe gibt – das ist eher selten in der Fashionphotographie. Das war nicht bewusst geplant, sondern ist das Bedürfnis, etwas Leichtes und Positives zu zeigen in einer schwierigen und unklaren Situation. Ich selber spüre ein Bedürfnis nach guter Energie und Versöhnlichkeit bei so viel Hass und Spaltung. Ich weiß, ein Magazin kann das nur begrenzt leisten …aber es soll wenigstens versuchen, es zum Ausdruck zu bringen.

Nichts ist wie es mal war und vielleicht liegt darin jetzt auch eine Chance.

THERE IS CHANGE IN CYTE!

xStephan