Artist Talk

Luise Heyer + Taneshia Abt

CYTE traf Luise Heyer und Taneshia Abt in Berlin, um mit ihnen über ihren neuen Film JGA, der im März in die Kinos kommt, zu sprechen – unter anderem. Das Gespräch ist gespickt von schnellen, sehr lustigen Taneshia-Luise-Momenten, sie fallen sich ins Wort, ergänzen sich, verschlucken lachend ihre Erzählungen – wir haben wirklich viel gelacht und es ist leider unmöglich das alles aufzuschreiben geschweige denn, die ausgelassene Atmosphäre über Aufgeschriebenes zu transportieren. Aber dafür gibt es ja den Film und der spiegelt genau das wider beziehungsweise so wie sie im Film zueinander passen, passen sie auch in der persönlichen Begegnung zueinander. Ob sie das bestätigen weiß ich nicht. Der Eindruck entstand beim Transkribieren, manche Passagen habe ich einfach mehrmals gehört, um herzlich zu lachen.

CYTE: Wir treffen uns ja in erster Linie, um über Euren neuen Film JGA zu sprechen. Habt Ihr den Film schon gesehen?

Luise: Ja, am 30. November letztes Jahr haben wir ein Screening für die Hauptdarsteller*innen gehabt.

CYTE: Und?

Taneshia: man wird lachen und man wird trotzdem …

Luise: …Gefühle haben. Also beides, lachen und Gefühle haben, das ist doch eine gute Kombination.

Taneshia: Es war wirklich schön und spannend, ihn zusammen zu sehen. Wir waren in einem Kino, die Atmosphäre dort war auch gut. Wir hatten vorher schonmal einzelne Szenen gesehen. Ihn aber jetzt in einem Stück zu sehen, ist dann schon besonders.

Luise: Es war wirklich gut, auch der Cast ist durchweg super.

CYTE: Wie ist es dann, sich selbst zu sehen. Macht es einfach nur Spaß oder hat man auch so Flashbacks, Momente, die einem dann wieder in Erinnerung kommen, gute und nicht so gute?

Luise: Ich finde es immer wahnsinnig schwierig, mich das erste Mal zu sehen, mich von mir zu distanzieren und mich als die Figur, also hier Jasmin, liebevoll zu betrachten. Ich bin auch eitel erstmal und habe natürlich Momente, bei denen ich denke „das hättest Du besser machen können“. Es gab bereits beim Dreh Momente, in denen ich dachte „nee, das funktioniert ja so gar nicht, ich bekomme es nicht auf den Punkt“ und bin dann überrascht, wie gut es doch funktioniert. Es geht also in beide Richtungen und Szenen, in denen ich mich nicht ertrage, lösen sich mit dem nächsten und übernächsten Mal gucken auf, weil man weiß, was einen erwartet, so dass man besser raustreten kann und sich die Geschichte an sich ansehen kann. Die Premiere wird spannend!

Taneshia: Es war ja auch sehr viel Zeit zwischen den Drehblöcken. Zwischen dem München- und dem Insel-Teil war ein halbes Jahr Pause – wegen Corona. Zu Beginn des zweiten, also des Insel-Teils, stellte sich mir die Frage „bin ich jetzt genauso wie beim ersten Part?“. Aber es funktionierte und ich war beim Screening positiv überrascht, weil es doch ein paar Szenen gab, bei denen ich sehr aufgeregt und angespannt war. 

CYTE: Welche Szenen waren das?

Taneshia: Es gab eine Szene, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist, das war als wir alle zusammen, also auch mit den männlichen Kollegen, gedreht haben. Das war für mich sehr aufregend. Es ist mein erster Kinofilm mit einer Hauptrolle. So viele tolle Schauspieler*innen an einem Tisch, da flatterten mir die Nerven. Dazu kam noch die Sorge, dass man mir diese Nervosität ansieht. Deshalb war ich beim Screening glücklich, dass dem nicht so ist.

Luise: Auch wenn das halbe Jahr Pause ungewöhnlich und aufgezwungen war, war die Vorstellung, dass man sich dann bald wiedersieht, schön. Dass man das gesamte Team wieder beisammenhat und sich nach dem, der Jahreszeit geschuldet, kalten Dreh in München, auf Ibiza wiedertrifft.

CYTE: Nervt das nicht, wenn es sich so ewig hinzieht? Generell, auch ohne Corona, vom Moment „ich habe jetzt diese Rolle“ über den Dreh, bis es dann endlich in die Kinos oder Tv oder Streaming etc. geht?

Luise: In diesem Fall war es nun besonders lange, das habe ich vorher noch nicht erlebt. In der Regel nervt es mich nicht. So ist nun mal der Beruf, man lebt quasi in der Vergangenheit. Das Schicksal teilt man mit seinen Kolleg*innen. Das private Umfeld versteht diesen Rhythmus nur marginal, man kann es auch nicht so richtig beschreiben. Die anderen sehen den Film also eineinhalb Jahre später und die Gespräche, die dann folgen, also die Fragen wie „krass, da hast Du Dich dann bestimmt so und so gefühlt?“ kann man meist nicht mehr recht beantworten, denn der Moment ist für einen selbst eben schon diese eineinhalb Jahre her. Es hat etwas Absurdes.

Taneshia: Ich fand es sogar ganz schön, dass es sich so gezogen hat. Das steigert die Vorfreude bis zur Premiere.

CYTE: Habt Ihr dazwischen noch etwas anderes machen können, gab es neue Arbeiten?

Breites Grinsen bei beiden – es gab Dreharbeiten, aber zu was, kann noch nicht verraten werden.

… „der Bedarf ist einfach gewachsen und ich bin sehr dankbar, dass sich die Filmbranche sehr rasch den ((Corona-)) Gegebenheiten angepasst hat.“

CYTE: Hat Corona ein großes Loch gerissen, gab es für Euch auch diesen Stillstand, wie bei vielen anderen Künstlern – Theater, die nicht spielen konnten, Konzerte fanden und finden immer noch nicht wirklich statt?

Luise: In der Filmbranche gab es ziemlich schnell Pläne und Lösungen der einzelnen Produktionen, wie man die Coronaauflagen umsetzen kann. Mit dem ersten Lockdown im März 2020 hatte ich so drei Monate in denen wirklich gar nichts passierte, aber dann ging es eigentlich wie zuvor, nur mit Tests, Abstands- und Hygieneregeln, weiter. Man gewöhnt sich sehr schnell an die jeweiligen Bedingungen. Gefühlt wird sogar mehr gedreht als vor Corona.

Taneshia: Ich hatte im letzten Jahr auch viel zu tun, der Bedarf ist einfach gewachsen und ich bin sehr dankbar, dass sich die Filmbranche sehr rasch den Gegebenheiten angepasst hat. Natürlich macht es keinen Spaß eine Maske zu tragen, aber als Kind hatte ich auch keine Lust, Zähne zu putzen. Gemacht habe ich es trotzdem. Ich finde wir müssen einfach froh sein, dass es uns trotz allem möglich ist, zu arbeiten.

CYTE: Die Thematik des Films JGA, könnt Ihr das nachvollziehen? Die Ängste keinen abzubekommen, ewig Single zu sein?

Luise: Nöööö, also wirklich nicht … (Gelächter) …absolut, man braucht ja auch ein Verständnis, um es spielen zu können. Das heißt nicht, dass man es gelebt haben muss, aber man muss es bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen können. Diese Phase im Leben, in der man das Gefühl hat, man könnte für immer Single bleiben, die kennt doch vermutlich fast jede, jeder.

Taneshia: Ich kenne das auch, obwohl ich nie gedacht hätte, dass mich das beeinflusst. Aber dann eben doch, wenn die Frage “und wie ist es mit Kindern?” aus dem näheren Umfeld kommt. Das kann ein enormer Druck sein und ich hoffe sehr, dass schon in der kommenden Generation gerade Frauen nicht mehr in diese Situationen geraten, sich rechtfertigen zu müssen. Und dass es zukünftig kein Thema mehr ist, ob man überhaupt allein glücklich sein kann, egal ob 25, 30 oder 40 Jahre alt. Also ja, ich kann eine Jasmin total verstehen, ihre Gemütszustände nachvollziehen.

CYTE: Wir haben es Euch in jeder Filmminute abgenommen. Auch wenn es an der ein oder anderen Stelle überzeichnet ist, was es auch soll, ist es in seinen Details so schrecklich wahr. Und Eure Tütüs waren wunderbar! Am liebsten hätten wir sie bis zum Ende gesehen, auch im letzten Drittel, das dann wieder in München spielt. Immer Tütüs und Perücken!

Taneshia: Wir hatten tatsächlich wenige Umzüge. Mir macht das Wechseln des Outfits immer viel Spass aber hier hatten wir wirklich schon viel Tütü. Es hieß zwischendurch, wir hätten ein extra Strand-Outfit – das gab es dann aber doch nicht. Es gab wieder Tütüs (lacht).

„Die Charaktere haben sich bei uns drei Frauen im Laufe des Drehs immer mehr verstärkt, Gina bestimmt immer alles, Anna schwebt in irgendwelchen Sphären …“

CYTE: Sind Komödien besonders schwer zu spielen? Schwerer als Drama?

Luise: Das kommt vermutlich darauf an …

Taneshia: …wen man fragt?

Luise: Für mich ist Komödie erstmal schwerer, weil ich in dem anderen Genre mehr zu Hause bin, mehr gemacht habe und damit eine andere Sicherheit habe. Jetzt bekomme ich die Chance, mich an Komödie zu versuchen. Das hat Anfängerstress bei mir ausgelöst.

Taneshia: Ich fühle mich mit Komödie ganz wohl. Mir ist das nah.

Anm. d. Red.: Die Beiden sind ganz unterschiedlich in ihrer Persönlichkeit. Beide werfen viele, uns alle zum Lachen bringende Kommentare ein, während des gesamten Interviews, daher hier auch wieder viel Gelächter. 

CYTE: Luise, was bedeutet Anfängerstress? Fühlst Du Dich an Deine erste Arbeit erinnert?

Luise: Ja, 2010 gedreht, Westwind war das. Das war ein fantastischer Dreh, aber ich war da ja noch an der Schauspielschule, hatte mal einen professionellen Kamera-Kurs gehabt, aber in erster Linie eben Theater gespielt. Und dann kam ich da in Ungarn ans Set und musste erstmal verstehen, dass am zweiten Tag die letzte Szene gedreht wurde, man durch das Buch springt. Und ich wusste zu Beginn nie, wo ich wann sein sollte. Der Regisseur Robert Thalheim hat mich sehr an die Hand genommen, mich durch die Anfänge geleitet und dann im richtigen Moment losgelassen, als er merkte, dass ich genug Sicherheit gewonnen hatte. Jetzt bei JGA habe ich mich also wieder wie am Anfang bei Westwind gefühlt, konnte ja aber nicht sagen, dass ich Anfängerin bin (Gelächter). Ich habe einfach viel um Feedback gebeten beim Regisseur, weil ich unsicher war, ob es pointiert, witzig war beziehungsweise die Frage, ob die Figur überhaupt witzig sein sollte – Jasmin ist ja per se nicht witzig, man lacht ja vielmehr über das, was ihr passiert. Über die einzelnen Fettnäpfchen. 

Taneshia: Die Charaktere haben sich bei uns drei Frauen im Laufe des Drehs immer mehr verstärkt, Gina bestimmt immer alles, Anna schwebt in irgendwelchen Sphären …

Luise: …und Jasmin ist die Unsichere. Und dann kam bei mir die Frage: “Ist das jetzt die Figur oder bin ich das?? Taneshia was denkst Du denn?”. (Gelächter)

Taneshia: Genau, und so hat sich das im Laufe der Zeit dann vermischt. Wir haben unsere Figuren sehr gelebt, alle drei.

(Sie zitieren einen Dialog, der alle drei Figuren in ihrer Einmaligkeit perfekt wiedergibt, das kann man nicht aufschreiben – geht ins Kino.)

CYTE: Gab es Szenen, die ihr x-Mal drehen musstet, weil Ihr Euch vor Lachen nicht mehr eingekriegt habt?

Taneshia: Die gab es auf jeden Fall. Allein die Szene in München, als wir mit der Limousine vor die Diskothek fahren – es war saukalt, es war drei oder vier Uhr morgens, wir haben nur noch Blödsinn geredet und waren einfach total drüber …

Luise: …ach Mensch und dann habe ich etwas gesagt, total unbedacht, irgendwie ein lauter Gedanke, und beide gucken mich so erschrocken an und sagen “So was kannst Du doch nicht sagen!”, ich war total erschrocken und verunsichert und daraus hat sich ein großer Lachflash entwickelt. Aus dem wir drei nicht mehr so richtig raus kamen. Es war aber auch spät. Und saukalt…

“ Man kann sich sehr damit beschäftigen, was andere von einem denken oder man überlegt sich vielmehr wie komme ich weiter, was ist für mich gut. Ich möchte mich selbst weiterentwickeln“…

CYTE: Nochmal kurz zurück zu dem sich selbst auf der Leinwand sehen beziehungsweise hören können, gewöhnt man sich irgendwann daran, hat man irgendwann nur noch den professionellen Blick darauf?

Luise: Es gibt ja Schauspieler*innen, die sich ihre Filme gar nicht mehr angucken. Aber ich sehe das für mich immer wieder als Chance, meine privaten Empfindungen von der Figur, die ich verkörpere zu trennen und daraus zu lernen – wie so Cheerleader, die eine Choreo machen und es sich immer wieder ansehen, um sich zu korrigieren.

Taneshia: Am Anfang fand ich es schlimm mich anzugucken, ich musste auch unbedingt allein sein, damit ich diesen “Schock” erstmal für mich verarbeiten konnte, mich selbst zu hören, mich anzusehen wie ich gucke, wie meine Körperhaltung ist und so weiter (lacht). Aber das verändert sich, Man kann sich optisch bewerten oder wie man spricht oder sich bewegt. mit jedem Mal wird der eigene Blick professioneller. Mein Blick heute auf mich ist ein ganz anderer als der am Anfang. Was ich aber weiterhin sehr gut finde ist, dass man sich bei der Filmpremiere, bevor es dann alle anderen sehen, selbst noch einmal in der Gesamtheit sieht.

CYTE: Komödien haben es ja eher schwer als gleichwertiges Genre angesehen zu werden. Wenn man als Schauspieler*in zur Komödie wechselt, sinkt der Stern? Gibt es da diesen Dünkel, Komödien seien weniger wert?

Luise: Also ich ertappe mich schon dabei, dass ich denke, man könnte mich jetzt abschreiben. Aber nach ein bisschen Selbstgespräch löst sich die Bedrohung auf. Ich will ja als Schauspielerin weiterkommen. Wenn ich jetzt immer nur dramatische Frauenfiguren spiele, wird mir das auch “vorgehalten” und es kommt die Frage: “Können Sie auch etwas anderes als dramatische Frauenfiguren?”. Man kann sich sehr damit beschäftigen, was andere von einem denken oder man überlegt sich vielmehr wie komme ich weiter, was ist für mich gut. Ich möchte mich selbst weiterentwickeln – es kann natürlich sehr gut sein, dass dieser Film nach hinten losgeht. Aber dann habe ich es wenigstens versucht. Dann geht es noch darum, mit der Kritik umzugehen, so dass sie einen nicht in der eigenen Spielweise, der eigenen Arbeit behindert. Und dann entscheide ich halt irgendwann das wars mit Komödie, jetzt versuche ich das Nächste oder ja, jetzt die nächste Komödie!

Taneshia: Das Schöne an unserem Beruf ist die Freiheit, das Neue, das Abenteuer, die Auswahl treffen zu können, was man dreht. Sobald ich mich darauf fokussiere, was die anderen denken, wie sie das bewerten, verbiete ich mir meinen Weg. Ich will aber so frei wie möglich sein und Sachen ausprobieren, auf die ich Lust habe. Es gibt diesen “Dünkel” ja auch beim Fernsehen, also Dinge, die als schlecht oder gut bewertet werden. Da sollten sich die Branche und die Kolleg*innen untereinander mehr Freiheit gönnen. Außerdem dreht man Produktionen vielleicht auch einfach, weil man die Miete bezahlen muss.

Luise: Der Druck wird größer je bekannter man in der Branche oder auch beim Publikum wird, aber ich appelliere eher an das liebende Auge aller. Das heißt nicht, dass einem Mal etwas nicht gefallen kann oder dass man vielleicht nicht so gespielt hat, wie der Zuschauer es aus anderen Rollen kennt. Aber dann ist das eben so und man ist ja auch keine Maschine und man will ja auch gar nicht immer dasselbe abliefern. Am Ende ist es genau wie Taneshia sagt, es ist so ein schöner, freier Beruf und der wird dann immer so eingeengt, dadurch dass jemand sagt “Hast Du denn schon das …?” oder “Wieso hast Du denn jetzt das …?” oder “Warum hast Du denn bei DEM Projekt mitgemacht?”. Ja, vielleicht genau aus den Gründen, dass ich die Miete zahlen muss, dass die Figur total spannend war oder vielleicht gab es nichts anderes zu tun und ich wollte einfach mal wieder arbeiten?

Taneshia: Und dann ist es ja auch toll, etwas Neues zu machen, aufgeregt zu sein wie beim ersten Mal. Auch wenn aufgeregt sein total ätzend sein kann, es total anstrengend ist, man sich spürt, man Angst hat, schlecht zu sein oder Angst hat, zu versagen, hat es ja auch etwas total Schönes!

CYTE: War es eine bewusste Entscheidung für Dich Luise, Komödie zu spielen?

Luise: Es gab irgendwas in mir, dass irgendwie Lust hatte mal nicht mehr so schwer zu spielen oder zumindest in eine andere Richtung zu gehen. Ich hatte gefühlt das 15te Vergewaltigungsopfer gespielt, es wiederholt sich dann eben doch, auch wenn natürlich jede Figur ihre eigene Geschichte hat und anders ist. So war es doch jetzt eher das Bedürfnis nicht schon wieder in diese Rolle reingehen zu müssen. Ich bin nicht bewusst auf die Suche gegangen, es ergab sich einfach in dem Moment so.

„…im Sommer, wenn die anderen ins Freibad sind, konnte ich halt nicht mit, weil ich Proben hatte. Das war schon ein anderes Leben.“

CYTE: Taneshia, war das bei Dir immer klar, dass Du Schauspielerin sein wirst? 

Taneshia: Ja! Es war schon immer die Bühne, die mich angezogen hat. Das hat schon meine erste Klassenlehrerin in mir gesehen und hat das gefördert. Und ich war zehn Jahre lang am Friedrichstadt-Palast, im Kinderensemble. 

CYTE: Da gab es doch aber auch kurz einen Step an die Uni, oder?

Taneshia: Zunächst hatte ich entdeckt, dass man an die Schauspielschule auch ohne Abi besuchen kann. Ich hab das zu Hause vorgeschlagen. Aber meine Eltern sagten, es wäre schon schön, wenn ich das Abi noch machen würde, zumal mir die Schule ja auch nicht besonders schwerfiel. Das war in der 12ten Klasse. Ich hab es dann auch durchgezogen. Nach meinem “AbiBac” bin ich zwar kurz an die Uni und hab mich für Sozialwissenschaften eingeschrieben – aber bin dann irgendwann nicht mehr in die Uni gegangen.

CYTE: Nochmal kurz zurück zum Friedrichstadt-Palast: das war doch auch keine ganz leichte Zeit, oder? Also da wird ein recht strenges Regiment geführt? Viel Disziplin?

Taneshia: Ja, das war schon fordernd. Die Arbeit an den Revuen, dann die Ferien, in denen man nicht wie die anderen Kinder wegfahren konnte, im Sommer, wenn die anderen ins Freibad sind, konnte ich halt nicht mit, weil ich Proben hatte. Das war schon ein anderes Leben. Und eine wichtige Zeit für mich. Ich merke das an bestimmten Dingen, wie zum Beispiel, wenn man sich mit anderen Schauspielkolleg*innen einen Wagen teilt und die dann beim Kostümwechsel ihre Kleidung so in die Ecke pfeffern. Das gibt es bei mir halt nicht – also zumindest nicht, wenn ich arbeite – da werden die Sachen immer mit Respekt behandelt, immer ordentlich zusammengelegt. Und noch eine Sache die hängen geblieben ist, ist das Dehnen. Ich liebe es mich zu Dehnen!

CYTE: Macht Ihr Sport? Zum Ausgleich?

Unschuldiger Blick in die Ecke links oben, verlegenes Pfeifen

Luise: Also, nee, ich habe da gerade gar keine Zeit für …. ich würde wirklich sehr sehr gerne sehr viel Sport machen …. als Kind habe ich es bis zum Spagat geschafft.

Taneshia: …aber deinetwegen hab ich doch mit dem Yoga angefangen!

Luise:  …wegen mir? Ich hatte einmal eine Yogamatte mit, hab sie da hingelegt und hab sie aber nie benutzt!

Taneshia: …ja, aber das hat mich dann total gestört, dass Ihr Yoga macht und ich nicht. Und dann hab ich mir auch eine Matte bestellt.

Luise: Ich glaub, das ist meine Aufgabe: ich nehme die Yogamatte mit, eigentlich aus der Motivation heraus jetzt Zeit zu haben, jetzt kann ich das machen. Dann leg ich sie da hin und dann kommst Du und denkst “Au man, die macht jeden Tag Yoga, jetzt muss ich auch”. Dann machst Du Yoga und ich nicht, aber ich habe trotzdem eine gute Tat getan.

Taneshia: Das hat mich total getriggert, die anderen machen das, ich muss auch. Gestern war ich so acht Minuten laufen, würde ich sagen. Dann gehe ich wieder dazwischen, weil ich laufen total stressig finde, aber ich finde die Idee von mir laufend, joggend total gut, so dass ich den Kopf frei kriege. Seit Jahren will ich gerne Joggerin werden und jetzt probiere ich es gerade nochmal.

Luise: Siehst Du, bei mir ist es die ganze Zeit ein großes Gedankengebilde und das alleine macht mich auch glücklich.

Taneshia: Es tut auch sehr gut im Park laufen zu gehen, aber ich kann’s nicht, ich gehe auch viel dazwischen, na ja, ich lauf dann so los und lauf eine halbe Runde und denke ich hätte schon Fortschritte gemacht …

Luise: Sind das 400 Meter Bahnen?

Taneshia: Ja, ich bin dann so ein bisschen den Mauerpark entlang und dann geh ich ein bisschen und dann dehne ich mich – sieht total professionell aus und dann denken alle ich hätte Großes vor und dann lauf ich nochmal ein bisschen und dann wird mir langweilig und dann sind auch schon 15 Minuten um und dann gehe ich wieder nach Hause (Gelächter die ganze Zeit) Und dann sage ich mich mir „Beim nächsten Mal ein bisschen mehr“. Staffeltraining nennt sich das…

CYTE: …ja, genau …

Taneshia: …das habe ich mir gerade ausgedacht …

Luise: Nenn’s doch eher Bewegung …

Taneshia: Ich will es auch nicht Sport nennen, denn ich finde Sport auch triggernd,

ich mach jetzt Bewegung, Gymnastik.

CYTE: So ein bisschen frische Luft sollte auch immer dabei sein, das macht das Hirn frei, das ist gut.

Luise: Bei mir ist es so, wenn ich laufe, werde ich sehr schnell rot, also sehr rot.

Umso fitter ich bin, umso schneller werde ich rot, weil die Muskeln so arbeiten – ist ein gutes Zeichen … Das heißt, irgendwann war ich mal im Fitness Studio und da bin ich immer hingegangen auf den, wie heißt das nochmal, auf den STEPPER, weil da wird man nicht rot.

CYTE: Ach so?

Luise: Also das ist jetzt nicht so richtig Bewegung, aber ich wurde auf jeden Fall nicht rot.

CYTE: Das kann man übrigens verschieden schwer einstellen …

Luise: Ach so, ja gut! Bei mir war das so ganz schwer eingestellt – nein. Ich habe das dann gemacht, eine halbe Stunde lang und dann habe ich mich auch gedehnt, weil dehnen finde ich auch richtig gut und dann bin ich in die Sauna gegangen.

Taneshia: Feel good, Bewegung, Gymnastik …

Luise: Ich glaube, ich habe einmal versucht am Prenzlauer Berg draußen zu joggen, ich hab gedacht, das kostet kein Geld, das kannste mal machen – mir war das so peinlich! Als ich da so langgelaufen bin, habe ich gedacht hoffentlich sieht Dich keiner …und in Kreuzberg bin ich morgens um 5.00 Uhr einmal gelaufen, weil ich dachte „es darf mich niemand sehen“.

Taneshia: …um 5.00 Uhr ich bitte Dich …

CYTE: Das ist wegen dem Bio-Rhythmus nicht gut, so früh Sport zu machen.

Luise: Vielleicht war ich da NOCH wach …Was mach ich hier? Ach ja, joggen!

„Mich inspirieren nicht nur zwei, drei Personen, sondern so viele verschiedene Arbeiten, verschiedene Frauen, Männer, Rollen“

CYTE: Ihr seid jetzt die neue Generation an Schauspielerinnen. Vorher gab es so Leute wie Katja Riemann und Martina Gedeck und davor Iris Berben und Hannelore Elsner und einige andere. Sind das Vorbilder oder Wegbereiterinnen für euch? Haben die was in der Branche bewegt? In der Hinsicht wie Frauen gecastet und behandelt werden.

(Tiefes Luft holen.)

Luise zu Taneshia: Wir haben doch gesagt die schweren Fragen machst Du!

(Gelächter)

Luise: Ich habe dazu leider keine Antwort. Für mich ist das immer so nebenhergelaufen, ich habe als Jugendliche anfangen zu spielen, Theater, aber ich habe mich sonst eigentlich nicht so richtig damit befasst. Aber jemand wie Corinna Harfouch ist mir total im Kopf durch verschiedenste Filme, weil es dann die Filme waren, die gerade im Kino liefen. Oder auch Katja Riemann mit „Bandits“ – also ehrlicherweise alle vier Frauen: Nicolette Krebitz, Jasmin Tabatabai und natürlich Jutta Hoffmann! – und alle, die da mitgespielt haben, haben im Gefühl schon etwas hinterlassen, also irgendetwas Einschneidendes hinterlassen, man sieht ja viele Filme …

CYTE: Ist das so – mag man als Schauspieler*in auch Filme?

Luise: Also, ich glaube, dass ich verhältnismäßig wenig Filme kenne, aber …

Taneshia: Deutsche Filme vor allem, weil das nicht so entspanntes Freizeitgucken ist, sondern dadurch dass man da einige kennt, zum Teil auch privat, guckt man die Filme nicht so frei. Ich finde es tatsächlich manchmal herausfordernd deutsche Filme zu gucken – auch schön – aber das ist für mich nicht Freizeit, da vermischen sich zwei Sachen.

CYTE: Weil man dann analytischer wird?

Taneshia: Ja, da kenne ich dann eine bestimmte Person und dann geht ein anderes Gedankenkarussell los, als wenn ich einen französischen Film gucke und da keinen kenne und mich frage “wie fand ich die denn jetzt” und “hätte ich die Rolle vielleicht auch gerne gehabt?”. Da laufen andere Filme in einem ab.

Luise: Es geht mir so bei Schauspieler*innen mit denen ich gearbeitet habe, sonst kriege ich es eigentlich ganz gut hin, weil ich mich dann auch nicht so gut in der Branche auskenne. (Lacht)

Nicht, dass ich mich nicht dafür interessiere, aber es fällt mir total schwer mir Namen zu merken, nur der Namen wegen oder Gesichter und Namen zu merken, wenn ich jemanden nur einmal kurz die Hand geschüttelt habe und damit keine Geschichte verbinden kann. Und wenn ich dann einen Film gesehen habe, wusste ich z. B. nicht das Katja Riemann oder Corinna Harfouch da mitgespielt haben. Das Bild hat sich dann später zusammengesetzt, wenn ich die Schauspielerin unabhängig davon kennengelernt habe. Oder vielleicht hilft auch das Alter.

„Liebendes Auge! Nicht denken, das muss ich auch können oder warum habe ich das nicht mal gemacht? Sondern es einfach anerkennen.“

Taneshia: Ich denke gerade so über die Vorbilder-Frage nach und …

Luise: Luise Heyer …

Taneshia: …ja, schon damals als Kind …

Luise: Das musstest Du doch nicht sagen …

Taneshia: Mich inspirieren nicht nur zwei, drei Personen, sondern so viele verschiedene Arbeiten, verschiedene Frauen, Männer, Rollen – alle möglichen, es gab nie ein klares Vorbild.

CYTE: Man muss sich ja gar nicht unbedingt aus feministischer Sicht eine Frau als Vorbild aussuchen, das kann ja genauso gut ein Mann sein.

Taneshia: Es gibt bestimmte Sachen die mich inspirieren, aber Vorbilder

das heißt ja, ich möchte so sein, wie die andere Person. Das gab es für mich nicht. Natürlich gibt es tolle Spielerinnen und Spieler, die ich beeindruckend finde, aber als Vorbild …

Luise: Da kommt man ja auch weg von sich selbst. Mir fällt es auch schwer die Frage zu beantworten, schon immer, weil ich dachte es fehlt etwas, ich muss das doch beantworten können, ich muss doch Vorbilder oder Idole haben, weil das ja auch viele Leute haben, auch aus meiner Studienzeit. Ich habe dann aber festgestellt, dass der Versuch gestartet wird, so zu sein, so zu spielen wie diese Person und dann kommt man von sich weg und dann ist die Frage nach Authentizität wahnsinnig schwierig, weil man sich dann selbst im Weg steht. Ich bin eher zu dem Punkt gekommen, dass man versuchen sollte, das in sich zu suchen und alles, was man betrachtet oder beobachtet als Input für sich zu nehmen, als Inspiration – ich finde Inspiration ist ein gutes Wort. Ich finde es auch toll zu sagen “das ist Wahnsinn, wie diese Person, egal welches Geschlecht, das gespielt hat – da wäre ich niemals draufgekommen!” Punkt! Liebendes Auge! Nicht denken, das muss ich auch können oder warum habe ich das nicht mal gemacht? Sondern es einfach anzuerkennen. Und dieses Gefühl nimmt man dann mit und dann wird man vielleicht mutiger beim nächsten Mal, bei etwas, was man selbst erarbeitet.

Taneshia: Für mich ist es ganz wichtig, gerade weil ich so bin wie ich bin, dass ich ganz doll bei mir bleibe. Was ist meine Spielweise, was sind meine Skills, die mich von anderen abheben oder besonders machen. Mir ist es ganz wichtig, meinen eigenen Raum zu erforschen. Und in Bezug auf den Feminismus denke ich auch, dass es viele Frauen gibt, auch weniger bekannte, die ihren Beitrag dazu geleistet und Wege geebnet haben.

CYTE: Du hast eben von mutiger werden gesprochen, aber ist das Spielen nicht eine Grundbedingung für eine*n Schauspieler*in? Du lernst es ja nur eine Rolle zu spielen, dafür musst Du ja nicht mutig sein, Du spielst ja nur! Oder gibt es da viel Hemmnisse?

Luise: Man schlüpft in eine Rolle. Das heißt man benutzt seinen Körper, seine Seele, seinen Geist, um eine andere Person zu spielen. Das ist natürlich ein Schutz, aber trotzdem bist Du ja, bin ich ja als Luise mein Handwerkszeug. Und wenn ich eine Rolle erarbeite, muss ich mich ja trotzdem zur Verfügung stellen. Und es gibt Momente, in denen das schwerer fällt als sonst. Das können körperliche Sachen sein, aber das können auch seelische Sachen sein. Wenn eine Figur etwas erlebt hat, was ich als Luise noch nicht erlebt habe, wie bekomme ich das hin, dass es authentisch ist? Ich fühle mich sehr schnell unauthentisch in meiner Spielweise. Also versuche ich so genau wie möglich, die Figur zu erarbeiten, auch zu erspüren wie sie wann reagiert, um dann so frei wie möglich ins Spielen zu kommen. Und dann löst sich die Hemmung auch. Nichtsdestotrotz gibt es körperliche Herausforderungen. Beim Spreewald Krimi musste ich unter Wasser tauchen und das wollten sie in einem Shot machen. Also wurde mir einen Tag vorher mit einem Tauchgerät gezeigt, wie man taucht, alles gar kein Problem. Und dann war ich unter Wasser, mit Blei an meinem Körper, um mich zu beschweren und sollte die Augen nicht aufmachen, habe ich aber natürlich doch gemacht. Das Wasser im Spreewald ist so trübe – und ich durfte nicht viel atmen, damit man die Luftblasen nicht sieht – und ich dachte, ich werde gleich von dem Boot, das über mir ist, skalpiert, weil ich nicht gemerkt habe, dass der Taucher, an dem ich mich festklammerte, so cool es ging, sich und damit auch mich daran festhält. Am Ende haben sie alles zusammengeschnitten und man hätte das alles gar nicht so machen müssen. Aber da habe ich gemerkt, dass ich eine körperliche Grenze habe, die mir vorher gar nicht bewusst war. Ich konnte dann nicht mehr die Luft anhalten und tauchen. Aber klar wird einem das erst hinterher. Man ist da erst mutig, man macht das, hat da auch Lust drauf. Ich habe große Lust, Sachen neu zu lernen, zu erkunden. Mit den Jahren bin ich aber dann durch meine Erfahrungen an immer wieder neue Grenzen gestoßen, die mich vorsichtiger machten. Also wenn jetzt irgendwo im Drehbuch stehen würde, die Figur taucht, dann müsste ich sagen: „Ich habe da so ein kleines Erlebnis mit dem Tauchen gehabt, ich weiß nicht, ob ich das hinkriege. Ich müsste das ausprobieren.“ Also dann muss ich auch so ehrlich und offen sein, damit die Regie weiß, womit sie es zu tun hat. Um dann zu entscheiden, ob sie es trotzdem versuchen wollen oder nicht. Es gibt immer wieder kleine Hemmungen, wenn man sich aus seiner Comfort-Zone heraus bewegt – aber irgendwie hat man da auch Bock drauf.

CYTE: Man kann es ja auch einfach „Herausforderungen“ nennen.

Taneshia: Man sollte es sich immer bewusst machen, wenn sich etwas gut oder auch schlecht angefühlt hat, damit man sich bei der nächsten Krise, wenn einem etwas über den Kopf wächst, sagen kann “Guck mal, ruhig Blut, erinnere Dich an das Gefühl”.

CYTE: Hat man das Gefühl, dass man im Laufe der Zeit besser wird als Schauspieler*in? Oder fängt man mit jeder neuen Aufgabe wieder am Anfang an?

Luise: Es kommt wahrscheinlich sehr darauf an, was man dreht? Jetzt bei der Komödie hatte ich schon das Gefühl wieder bei Null anzufangen, in den Kinderschuhen zu stecken. Ich weiß, dass es Momente gab in der ganzen Zeit, in der ich nur so Independent- und Art House-Filme gedreht habe, in denen ich so viel gearbeitet habe, dass ich gar nicht mehr nachgedacht habe, weil ich vier verschiedene Filme an fünf Tagen die Woche an drei verschiedenen Orten gedreht habe, gefühlt. Das waren dann kleinere Rollen, keine Hauptrollen, aber eben mit diesen vielen Rollen- und Ortswechseln in kurzer Zeit. Das führte dann auch zu einer Überforderung, sowohl von Körper als auch von Geist, so dass man am Ende einfach funktioniert. In dem Fall ging das alles ganz leicht. Aber es gibt eben auch Momente, in denen man total verkopft ist. In meinem Fall merke ich schon, dass es eine Wellenbewegung ist und auch davon abhängt, wie es mir persönlich gerade geht.

Taneshia: Je nervöser ich bin, desto mehr bin ich im Außen, achte darauf, was die anderen sagen, Dann bin ich nicht in der Figur, nicht in mir drin. Und da bin ich sehr dankbar, dass ich inzwischen einen Schritt weiter bin, dass ich das Außen, außen lassen kann …

Luise: Und das ist das sehr Interessante, dass wenn man sich sicher fühlt, gutes Feedback bekommt, man viel mehr in die Figur eintaucht, weil man sich viel weniger Gedanken darüber macht, wie man sich gerade fühlt in der Figur und ob man es gerade richtig oder falsch macht – man macht einfach.

Taneshia: Ich hatte auch immer das Gefühl, bei Vorsprechen, bei denen es besonders toll wäre genommen zu werden, bei Dingen, auf denen so viel Druck liegt, dass einem dann die Leichtigkeit und vor allem auch der Spaß abhandenkommt und es dann auch weniger gelingt, zu überzeugen. Bei anderen Dingen, die man einfach so mitgemacht hat, ohne, dass man besonderen Wert auf Erfolg gelegt hätte, gelingen dann eben viel einfacher. Aus beidem entstehen schöne Erfahrungen und schöne Arbeiten.

CYTE: Wie sehr kann einem ein*e Regisseur*in helfen, wenn man an Grenzen, auf Hindernisse stößt?

Luise: Sehr! Dafür ist er, sie da.

CYTE: Ja? Ist er, sie das und klappt das immer? Man muss ja auch miteinander können, um Dinge zulassen zu können?

Luise: Es ist vermutlich das Privileg, das man hat, wenn man nicht mehr alles spielen muss und das Casting auch dazu nutzen kann, nicht nur selbst zu überzeugen, sondern sich auch ansehen kann, wie das Team ist, mit dem man zusammenarbeiten würde. Und ob man die Ruhe hat, sich alles anzusehen und dann auch entscheiden kann, eine Arbeit nicht zu machen, weil vielleicht die Chemie nicht stimmt. Dafür kann dann auch keiner etwas, das ist dann einfach so. Dieses Privileg allerdings haben wirklich sehr wenige Menschen. Und für die, die es nicht haben, also nicht einfach gehen können, wenn die Chemie am Set nicht stimmt, man aber miteinander arbeiten muss, ist es wichtig, dass dann die Weitsicht da ist, dass es eben jemand anderes machen muss, dass es also jemanden am Set gibt, der, die dafür sorgen kann, dass alle miteinander arbeiten können.

Taneshia: Am Anfang von JGA kannten Luise und ich uns noch nicht, und auch die anderen Kolleg*innen kannte ich kaum. Und irgendwie will man ja die anderen überzeugen und das hat bei mir etwas Stress ausgelöst. Ich hab dann mit den anderen darüber gesprochen. Das war fantastisch und meine Anspannung hat sich immer mehr gelöst. Ich hab sogar irgendwann den Regisseur Ali angerufen und ihm von meinen Unsicherheiten erzählt und dann hat er gesagt, was ich ganz schön fand, dass wir das zusammen machen und wenn wir feststecken, wäre es seine Aufgabe, uns da rauszuholen. Das hat mich tatsächlich ganz doll berührt und bewegt. Das hat mir viel Kraft gegeben und gleichzeitig viel Druck genommen. Das ist aber leider nicht immer so.

„Wichtig ist halt, dass die Figur ganz genau gezeichnet ist. Dass man weiß, wie sie tickt, dann fällt es auch leichter, dazu zu improvisieren, weil man aus der Figur heraus reagiert.“

CYTE: Es gibt ja jetzt diese Improvisations-Serien, so wie Jerks etc. …

Luise: Dann müsst ihr Die Discounter gucken …

CYTE: Wäre das etwas was euch reizt, das ist ja nochmal eine ganz andere Herausforderung?

Luise: Wir sitzen schon dran …

CYTE: Ach ja, echt …?

Luise: Ich hab total Lust darauf …

Taneshia: Ich finde es tatsächlich deutlich entspannter, wenn ich improvisieren darf, anstatt so einen auswendig gelernten Text zu sprechen.

Luise: Echt?! Ich bekomme so einen Adrenalin-Flash, wenn ich beim Casting beziehungsweise Vorsprechen eine Rolle improvisieren soll. Man macht zwar fast alles falsch, aber das setzt auch unheimliche Kräfte frei, man darf ja nicht aussteigen, man muss ja immer weiterspielen, da können unglaubliche Momente entstehen und dadurch hat das auch so einen großen Reiz. Wichtig ist halt, dass die Figur ganz genau gezeichnet ist. Dass man weiß, wie sie tickt, dann fällt es auch leichter, dazu zu improvisieren, weil man aus der Figur heraus reagiert.

Taneshia: Das liegt sicher nicht allen, weil so ein Impro kann auch leicht zu einer Kalauer- Schlacht werden. Man muss diszipliniert sein, die Ruhe aushalten können und nicht auf Effekt spielen.

CYTE: Und wieviel auch von einem selbst noch mehr reinkommt, als es eigentlich bei einem normalen Stück wäre …

Luise: …unter dem Schutz der Figur …

CYTE: Genau, genau …

Luise: …das war ich nicht, das war meine Figur …ich habe das nicht gesagt …

(Gelächter)

CYTE: Es hat sich alles verändert mit dem Streamen. Kino ist gerade nicht so angesagt …

Luise: Kein gutes Timing gerade …

CYTE: …und steigt man deshalb bei solchen Sachen ein? Oder einfach nur weil es super spannend ist?

Luise: Es hätte mich auch früher total interessiert, das kann ich ganz klar sagen. Es ist eher so, dass jetzt gerade der Raum da ist, um so etwas zu machen. Früher war es schwieriger solche Ideen, Konzepte durchzubekommen. Und durch die vielen Streaming-Dienste gibt es ja auch mehr Möglichkeiten, wo man sich mit solchen Konzepten bewerben kann, aber die Branche wird da auch wahrscheinlich ein bisschen mutiger. Und ist auf der Suche nach einer anderen, neuen Erzählform – ist ja nicht unbedingt neu – aber für Deutschland vielleicht.

CYTE: Durch das Streamen sind auf jeden Fall viele, mutigere Formate weltweit entstanden.

Bei einem Film, der ins Kino soll, ist viel mehr Gewicht drauf, da will man alles richtig machen und das verhindert auch sehr vieles.

Luise: Ja, da bleibt man gerne mal an Konzepten aus den 90ern hängen und macht es so, wie es immer funktioniert hat. Bei den Streaming-Diensten ist mittlerweile auch eine große Konkurrenz untereinander da. Die Leute sind durch Corona viel zu Hause und gucken viel.

Es gab eine Zeit, als Corona gerade losging, in der man das Gefühl hatte “Ich habe jetzt alles gesehen, was da läuft”. Von den Sachen, die mich interessieren, habe ich wirklich alles gesehen. Daher wird wahrscheinlich jetzt so viel gedreht, um für Nachschub zu sorgen.

CYTE: Ok, dann jetzt Eure drei Lieblingsserien!

Taneshia: Ich guck gerade “Succession”…

Luise: …ach Gott …

Taneshia: …und das hat mich gerade total gepackt. Das ist toll gespielt, ich mag die Dynamik, das ist eine Serie, die ich gut finde.

Luise: Meine Konzentrationsspanne ist gerade nicht so groß, ich bin abends immer sehr müde, aber die “Die Discounter” habe ich auch sehr schnell durchgeguckt. Etwas was gar nicht gut gespielt ist, aber so ein Trash, dass ich auch nicht aufhören konnte es zu gucken, ist Cobra Kai.

(Gelächter)

Taneshia: Mag ich!

Luise: Habt ihr davon gehört? Das ist die Serie zu den Karate Kid-Filmen – ich hab die nicht mal gesehen – es spielt so 20 Jahre später, die beiden Hauptfiguren, die damals Jugendliche waren, sind jetzt alt und stehen wieder in Konkurrenz und dann werden zwischendurch die alten Filme reingeschnitten um irgendwas zu erzählen und es ist wirklich sehr, sehr schlecht, aber irgendwie macht es dann auch Spaß, sich so einen wahnsinnigen Trash anzugucken und man muss nicht viel mitdenken – ach doch, man sitzt tatsächlich da und denkt so: WARUM – häää?

CYTE: Wie sagst Du immer, “mit einem lachenden Herzen” sollte man das anschauen?

Luise: “Mit dem liebenden Auge betrachten” – aber das ist tatsächlich auch mit dem liebenden Auge betrachtet, oft schlecht gespielt! Aber es macht trotzdem Spaß, man muss halt Bock haben, Trash zu gucken.

Taneshia: Ich bin mir nicht sicher, wie der Titel der Serie ist, aber ich glaube er heißt “Mytho”, also “Der Mythos”, auf Deutsch heißt der “Eine kleine Lüge”, die gibt’s auf Netflix.

Das ist eine französische Serie, ich schaue mir manchmal was Französisches an, damit alles fit bleibt, was ich mal mit viel Mühe gelernt habe. Und die finde ich ganz toll. Es geht um eine Mutter, die drei Kinder hat, ganz viel arbeiten muss, der Mann ist ein Nichtsnutz, und sie erfindet dann, dass sie Krebs hat und die ganze Familie kümmert sich plötzlich um sie, die Ehe blüht wieder auf. Das ist ganz witzig, aber auch deep und hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Luise: Und ich habe “Maid” angefangen. Ist auch super, aber ich bin so fertig abends, obwohl ich es super finde und es auch sehr schön gespielt ist, über diese alleinerziehende Mutter …habt ihr es gesehen …?

Taneshia: Ja, aber ein guter Freund von mir, mit dem ich das geguckt habe, hat gesagt

ihm geht das so nah, er kann es nicht aushalten mit dieser alleinerziehenden Mutter, deshalb musste ich das dann allein weiter gucken.

Luise: Meinem Mitbewohner ging es auch sehr nahe – vielleicht sollten wir uns zusammentun…

CYTE: Vielen Dank für die Tipps! Und das Gespräch!

JGA, der neue Film mit Luise Heyer, Taneshia  Abt und Teresa Rizos ist  ab 24.3.2022 in den Kinos.

Words: Henrike Heick

Photographer: Stephan Ziehen