ABC of STYLE

Sustainable living – Ideen vom Trend-Sperrmüll

 

Wer sagt, Mode wäre nicht nachhaltig? Zumindest was Ideen und Trends angeht, containern Designer*innen, Influencer*innen und sonstige ‚Tastemaker‘ seit jeher gerne auf den Müllhalden der Popkultur und finden ab und zu einen Schatz. Oft sind es Stilrichtungen und Phänomene, die zu ihrer Zeit noch belächelt wurden und danach in jeder bad taste Nostalgieliste zu finden waren – Hüfthosen, Blocksträhnen, große Logos etc.. Es findet beim Recycling oft eine Verschiebung der Zielgruppe statt – böse Zungen (also ich) könnten gar behaupten, dass dabei eine Art kulturelle Aneignung stattfindet. Erinnert ihr euch noch, als karierte Plastiktaschen noch ausschließlich in ‚Import/Export‘ Läden zu finden waren? Oder als buschige Augenbrauen noch als der Gipfel des schlechten Geschmacks galten, zum Nachteil von uns ethnisch gut mit Haar bestückten Menschen?

Für das CYTE Magazin habe ich selbst die biologisch abbaubaren Handschuhe angezogen und den Trend Sperrmüll durchwühlt. Ich sage voraus, dass die folgenden Trends schon bald recycelt werden. Oder in Gen-Z speak: Ich manifestiere:

 

 

Netlog Style

 

Wer SchülerVZ und Knuddels noch kennt, erinnert sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch an Netlog. In Deutschland war die belgische Plattform vor allem für eines bekannt – als Sammelplatz für sogenannte ‚Netlog Models‘ – zumeist männliche Jugendliche mit migrantischem Hintergrund, die auf ihre eigene Weise die 2000er Metrosexualität interpretierten: Wasserstoffblond-Blocksträhnen, extreme Gelfrisuren, noch extremere Solarium Bräune, Brillanten Ohrstecker. Wie viele Trends verschwand der Netlog Style auch irgendwann, um im ewigen Kreis des

Ich sehe schon bleiche Vorstadt-Teenies, die Mutti beim Großstadt Einkaufserlebnis einreden wollen, sie bräuchten jetzt wirklich unbedingt das Strassshirt und die Haargel und Sprühbräune Kombipackung von Urban Outfitters. Dazu ein Exemplar von Susan Sontags ‚Notes on Camp‘ aus der hippen Bücherabteilung, weil eigentlich bist du ja nicht wirklich so ein (Flüsterton) ‚Asi‘ – wer mal an die Kunstakademie will, muss früh lernen, Arbeiterklasse Ästhetiken nachzustellen.

 

 

Politische Inkorrektheit

 

Natürlich hängt Deutschland mit seinen Debatten um das Gendersternchen dem Trend mal wieder hinterher, aber ich kann versichern: Wir leben bereits im post-wokeness Zeitalter. Seit ein paar Jahren wurden Versuche von marginalisierten Gruppen, auf Missstände hinzuweisen, gekapert von den Werbeagenturen dieser Welt, um Märkte zu erweitern: Das obligatorische ‚Black Lives Matter‘ Quadrat im Instagram Feed und das ‚plus size‘ Model, das eigentlich keins ist. Wer nicht mitzog, dem drohte der erhobene digitale Zeigefinger (meist jedoch keine wirklichen Einnahmeeinbußen). Aber auch dieses Trends sind die Menschen müde geworden und für die Modewelt heißt das: Bald können wieder ohne Shitstorm indigene Muster auf Taschen gedruckt werden! Du kannst wieder deinen ‚Indianerschmuck‘ zum (angeblich) Pandemie-konformen Festival anziehen. Unverschämt teure Parfümhersteller können das Wort ‚gyp*y‘ ungeniert …. Oh warte. Das haben sie all die Jahre eh unbehelligt gemacht.

 

 

 

Bench Jacken

 

Als ich noch in der Oberstufe war, galt die Fleece-Halskrause mit dem Markenlogo als DAS Piece für ein gelungenes Outfit – Schultag? Bench Jacke. Date? Bench Jacke. Das erste Mal dieses ungewöhnliche Frozen Joghurt Eis essen gehen? Ihre ahnt es, Bench Jacke. Das Besondere hier ist, dass die Fleecejacke nur einen Schritt weit entfernt ist von der Funktionsjacke. Und die bekleidet, wie wir wissen deutsche Oberkörper von Nord bis Süd unabhängig von Anlass und Jahreszeit. So kam es, dass der Geist der Bench Jacke weiterhin in Reihenhäuser-Kleiderschränken weilt – und bald schon per TikTok Videos statt per Ouija Brett heraufbeschworen wird. Findige 15-jährige future Jeff Bezos der Bundesrepublik werden die elterlichen Schränke durchforsten nach dem coolen vintage it-piece, um auf Verkaufsplattformen gutes Geld damit zu machen. In England funktioniert das dank der Plattform ‚Depop‘ schon seit Jahren, aber Deutschland hängt … ja. Ich wiederhole mich.

 

 

Bundeswehrjacken

 

Trendprognosen zeigen leider: Der Tumblr Style kommt zurück. Die Microblogging Plattform erlebte in den 2010ern ihre Blütezeit, als Skinny Jeans noch cool waren und die Arctic Monkeys auf der letzten Welle des Gitarrengeklimpers ritten. Zu den ästhetischen Markern der Tumblr Persönlichkeit gehörten unter anderem auch dunkler Lippenstift, der Kanken Rucksack und … die Bundeswehrjacke. Ein Parka, ob im Camouflage Muster oder schnödem Armeegrün, war nicht komplett ohne die Deutschlandflagge am Arm. International finden Produkte, die mit Deutschland und Militär zu tun haben, sonst eher Absatz unter milliardenschweren Kriegstreibern. Zeitgleich mit dem Aufkommen der oben besprochenen ‚wokeness‘ Kultur nahm die Popularität von Tumblr ab und Parkas wurden bald durch North Face und Stone Island Jacken ersetzt. Meine Verschwörungstheorie: Nach den gescheiterten Versuchen, mehr Rekrut*innen anzuwerben mit Werbeplakaten und Youtube Serien, wird die Bundeswehr als nächstes heimlich 1.000 Bundeswehrjacken an Influencer*innen verschicken. Das hat schon 2018 beim Relaunch der Dior Saddle Bag funktioniert und es wird wieder funktionieren – und schon prangert SchwarzRotGold wieder an den Armen der Hypebeasts (sagt man das noch?). Und irgendeine Fast Fashion Marke wird aus Versehen die Belgien Flagge benutzen.

Words:Sabina Derendelic