Irgendetwas passiert gerade mit der Mode! Schon wieder?
Ich saß neulich im Zubringerbus zum Flugzeug und neben mir hatte sich so ein schnöseliger Typ über zwei Plätze breit gemacht mit seinen Rollenkoffer plus gelb/golden gewirkter Gucci Tasche. Per se schon etwas asozial und unsympathisch einen Sitzplatz für Koffer zu blockieren, aber vor allem stieß mir diese Gucci Tasche unangenehm auf. Mein erster Gedanke war, was macht der hier? Das ist doch eigentlich der Typ Mensch, der sich mit nem Porsche Cayenne direkt zum Flieger bringen lässt und gar nicht erst zum Pöbel in den Bus steigt? Und wenn solche Schnösel jetzt schon Gucci cool finden, bin ich raus.
Ich weiß, das ist auch super arrogant und nicht weniger „schnöselig“, aber beim weiteren Grübeln fiel mir auf, dass mich immer mehr Luxusmarken abstoßen und für mich immer mehr an Begehrlichkeit verlieren. Zu laut, zu protzig, zu teuer, zu uninspiriert, zu sehr Marketinggetrieben… alles zu falsch. Auf einmal! Wie konnte das passieren?? Warum??
Szenenwechsel.
Erzählung eines Dritten: Ein Freund von mir ist mit einer Freundin auf einer Ausstellungseröffnung. Sie trägt eine Louis Vuitton Tasche – groß, auffällig, aber trotzdem noch geschmackvoll. Als sie auf die Toilette muss, bittet sie ihn die Tasche zu halten und darauf aufzupassen. Es ist ihm mega unangenehm, mit einer Luxustasche von Louis Vuitton gesehen zu werden. Aber nicht, weil die Tasche möglicherweise zu feminin ist, sondern weil Leute denken könnten, er würde sich Louis Vuitton kaufen. Irgendwie die falsche Botschaft, das falsche Image – die falsche Marke. Mir scheint das schon fast symptomatisch – die Fashionistas wenden sich von diesem ostentativen Luxus ab. Luxus fühlt sich inzwischen falsch an. Besteht er doch fast nur noch aus irgendwie zu cleveren Marketingideen, gekauften Celebrities und vor allen Dingen zu wenig Herzblut und Soul. Es ist alles überinszeniert, zu sehr auf Erfolg getrimmt, zu glatt und mainstreamig: Alles richtig gemacht und trotzdem falsch.
Ich weiß, es ging schon immer nur ums Geld, aber wenn das Produkt im Grunde nebensächlich wird, Hauptsache teuer, dann wird’s uninteressant, gähnend langweilig. Klar das ist noch nicht der Untergang der Luxusmarken, aber sie haben sich in eine Sackgasse reinmanövriert. Sie sind einfach zu groß, zu anbiedernd und auch irgendwie zu erfolgreich, um noch interessant zu sein. Es gibt nichts mehr zu entdecken, die Magie ist weg – nur noch blanker Kommerz. Sie scheinen an ihrem eigenen Erfolg zu ersticken. Bei Gucci kommen jetzt die ersten Zahlen, nachdem vor zwei Saisons Sabbato di Sarno dort angefangen hat. Und zum ersten Mal scheint die Rechnung nicht aufzugehen. Ein riesiges Minus von über ich-weiß-nicht-wieviel-Prozent. Man wollte einfach, wie schon so häufig, den Designer austauschen und hat gedacht das Produkt wäre egal. Hauptsache Gucci steht drauf, aber diesmal ging die Rechnung nicht auf.
Und da ist es wieder, das, was Mode ausmacht: das Unberechenbare, der ständige Wunsch nach Veränderung, das Unkalkulierbare. Du musst die Herzen immer wieder aufs Neue erobern und man braucht am Ende doch Identifikationspersonen, denen man auch mal eine schwächere Saison verzeiht, weil man sie mag. Aber eine kalte, kostenoptimierte Marke wird nur sehr begrenzt gemocht…
Dass die Produktmanager das Ruder übernommen haben, darüber habe ich mich ja schon häufiger aufgeregt. Doch mittlerweile scheinen die Designer genauso rücksichtslos zu werden. Nachdem John Galliano mit seiner Couture Show Anfang des Jahres dem Maison Margiela den größten Erfolg und Hype seiner Geschichte beschert hat, erwägt er zum Vertragsende das Haus zu verlassen. Natürlich kenne ich keine Interna, aber so ganz richtig fühlt sich das nicht an. 2014 übernimmt er dort den Posten als Chef-Designer, nachdem er nach seinem Rauswurf bei Dior und anschließenden Rück- und Entzug, endlich wieder auf die Füße kam. Klar, zehn Jahre sind mittlerweile eine lange Zeit in der Mode und Veränderung tut ja immer gut, aber in seinem Fall wirkt es undankbar. Abgesehen davon, dass seine Bedingungen bei Margiela nicht so schlecht gewesen sein dürften (sonst wäre eine solche Couture Show gar nicht möglich gewesen) und zukünftig wahrscheinlich noch viel weniger. Aber das Karussell dreht sich weiter und immer schneller.
Wenn eine Marke und ein neuer Designer nicht sofort performen = den Umsatz vergrößern, wird die Position schnell ausgetauscht oder der Mensch einfach entmachtet. Obwohl alle wissen, dass die Dinge manchmal Zeit brauchen, dass man nicht einfach auf Knopfdruck alles verändern kann, dass am Ende dort Menschen arbeiten, die ihr Bestes geben, aber auch ihre eigene Story haben, die sie ja auch so besonders macht, aber manchmal auch nicht so stromlinienförmig, wie ein „KI“ es sich vielleicht wünscht! Ich würde mir wünschen, dass wir alle wieder etwas gnädiger miteinander werden. Uns nicht nur am kommerziellen Erfolg messen, sondern uns auch an der Schönheit erfreuen, die Menschen (!) uns mit ihrer Arbeit geben!